Mehr als ein Viertel der gesamten Sendezeit in Sat.1 besteht aus "Auf Streife" und seinen Ablegern. Zählt man die anderen Blaulicht-Formate dazu, kommt man auf einen noch viel höheren Wert. Nach "Two and a Half Men" und "The Big Bang Theory" ist die Scripted Reality damit die Sendung mit der höchsten Schlagzahl im deutschen Fernsehen, das hat eine Auswertung von DWDL.de Anfang des Jahres ergeben (die genaue Analyse der Zahlen finden Sie hier). Die Quoten-Entwicklung bei "Auf Streife" zeigt aber derzeit ganz klar in eine Richtung: nach unten. Das Format und seine Ableger liefen im vergangenen Jahr solide bis gut, ein echter Überflieger war die Marke nicht. Sind die vielen "Auf Streife"-Sendeplätze also überhaupt gerechtfertigt?
Für sich betrachtet sprechen die nackten Zahlen scheinbar erst einmal dafür. Um 14 Uhr erreichte "Auf Streife" im vergangenen Jahr im Schnitt 11,4 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Eine Stunde später waren es 10,6 Prozent. Die später im Jahr gestarteten Ableger "Auf Streife Berlin" und "Auf Streife - Die Spezialisten" landeten um 16 und 18 Uhr bei 10,8 und 11,1 Prozent. Na klar: Damit läuft es besser als für viele andere Sendungen davor, Bäume ausreißen kann das Format aber nicht. Dass sich Sat.1 damit zufrieden gibt, zeigt auch die inzwischen heruntergeschraubten Ansprüche des Senders. Zuletzt sanken die Quoten aber: Sämtliche "Auf Streife"-Sendungen liefen im Januar einstellig. Die "Ruhrpott-Wache" um 19 Uhr kam seit ihrem Start im Oktober noch überhaupt nicht über einen längeren Zeitraum auf einen grünen Zweig.
Langzeittrend: Auf Streife
In der jüngsten Quotendelle will man bei Sat.1 allerdings noch keinen Trend erkennen. "Dezember und Januar sind aufgrund eines veränderten Sehverhaltens der Zuschauer traditionell schwierige Monate für das Daytime-Programm", sagt Katrin Stockhaus, Vice President für Reality Daytime/Access Sat.1, gegenüber DWDL.de. Zwar zeigt auch RTL Blaulicht-Formate in der der Daytime, bei Sat.1 kann man diesen Sendungen aber nur sehr viel schwerer entkommen. Warum das so ist? Stockhaus bezeichnet "Auf Streife" als "First Mover im Blaulicht-Bereich". Das Format biete "alltagsnahe Emotionalität, Relevanz, starke Dramaturgie und hohe Authentizität".
Längst setzt "Auf Streife" nicht mehr nur auf Polizisten, auch Ärzte, Zollbeamte, Sanitäter und Feuerwehrleute sind in den Sendungen zu sehen. Allen voran im Ableger "Auf Streife - Die Spezialisten". Man wolle hier alle Emotionen bedienen, die es für eine breite Ansprache der Zielgruppe braucht, lässt Stockhaus wissen. Den Berliner-Ableger will man vom Original etwa dadurch unterscheiden, dass man auf "rohere Fälle" setzt, sagt Filmpool-Sprecher Felix Wesseler. Das sei anfangs auch erfolgreich gewesen, "nun gilt es, etwas nachzujustieren". Neben "Auf Streife" produziert Filmpool für Sat.1 auch die "Ruhrpott-Wache". Und auch "Verdachtsfälle" (RTL) und "Die Straßencops" (RTL II) stammen von der Produktionsfirma.
Langzeittrend: Auf Streife - Berlin
Dass zuletzt viele Blaulicht-Sendungen Marktanteile eingebüßt haben, hat aber natürlich auch mit der Vielzahl der Formate zu tun. Machart und Handlungen ähneln sich sehr, das bleibt nicht aus. Aber so werden die Formate eben auch nicht attraktiver für die Zuschauer. Dass Sat.1 gleich vier "Auf Streife"-Sendeplätze hat, macht die Sache nicht besser. "Bei vier Formaten desselben Genres und über 60 Stunden Ausstrahlung pro Woche in Sat.1 müssen wir aufpassen, dass es nicht zu gleichförmig wird", sagt Filmpool-Sprecher Wesseler. Man sei da in einem engen Austausch mit dem Sender.
Vielleicht wäre es aber besser von Sat.1 gewesen, sich auf weniger Ableger zu konzentrieren und die Original-Marke besser zu pflegen. Wesseler zeigt sich überzeugt, dass Blaulicht-Formate auch in Zukunft am Nachmittag zu finden sein werden. "Allerdings wohl nicht ausschließlich mehr in der Reinform und Dichte", sagt er und verweist auf weitergedachte Sendungen wie etwa die "Klinik am Südring".
Zwischen September und Oktober holte diese Sendung im Schnitt 10,7 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen, im Frühjahr wird es hier mit neuen Folgen weitergehen. In Zukunft will Sat.1 weitere solcher Formate testen. "Wir orientieren uns zu jeder Zeit an den Sehbedürfnissen unserer Zuschauer und entscheiden erst dann, mit welchen Inhalten, in welcher Machart bzw. in welchem Genre diese am besten zu bedienen sind", sagt Sat.1-Managerin Katrin Stockhaus. Scripted Reality ermögliche nun einmal ein "wertstabiles Produzieren von großer Stofffülle".
Dass es durchaus auch anders geht und man auf Polizisten und Feuerwehrleute am Nachmittag verzichten kann, beweist derzeit Vox. Nachdem der Sender alle Scripted Realitys aus dem Programm verbannte, war es zunächst gar nicht so leicht, das frühere Quotenniveau zu halten. Nach einer schwierigen Umbruchphase performen die Sendungen dort jetzt weitestgehend auf gutem bis sehr guten Niveau - wenngleich auch hier der ganz große Quotenkracher fehlt. Stockhaus betont, dass Daytime-Fernsehen einen "fortwährenden Entwicklungsprozess in allen Bereichen" bedeute. "Ein permanentes Erspüren der sich ständig verändernden Zuschauerbedürfnisse bildet dafür das Fundament. Relevanz, Unterhaltsamkeit, große Alltagsnähe, Emotionalität, familiäre Nähe und dabei eine größtmögliche Echtheit sind und bleiben die inhaltlichen Stützpfeiler unseres Programms." Auf absehbare Zeit wird "Auf Streife" also auch weiterhin in hoher Frequenz im Sat.1-Programm zu sehen sein.
Langzeittrend: Auf Streife - Die Spezialisten
Den oft gehörten Vorwurf, Scripted Realitys seien Unterschichtenfernsehen, kann Filmpool-Sprecher Wesseler nicht mehr hören. "Die Annahme, Bildung oder Einkommen hätten einen Einfluss auf die Programmauswahl, ist längst wissenschaftlich widerlegt." Es gebe kein "Unterschichtenfernsehen". Wesseler: "Die Vorurteile kommen oft von Leuten, die, mit Verlaub, von der Daytime einfach wenig Ahnung haben." Dass sich entsprechende Ereignisse in den Sendungen häufig wiederholen, habe nichts damit zu tun, dass die Zuschauer es sonst nicht verstehen würden. Am Nachmittag würden viele Zuschauer eben nicht mit ganzer Konzentration vor den TV-Geräten sitzen. Durch die Wiederholungen könnten sie wieder schnell dem Programm folgen. Eine Erklärung, warum ein Viertel des Sat.1-Programms inzwischen aus der Marke "Auf Streife" besteht, ist das natürlich nicht. Aber das ist auch eher das Problem des Senders, nicht der Produktionsfirma.