Als klassisches Schmuckstück lässt sich die Berliner Zionskirche im Bezirk Mitte eher nicht bezeichnen, auch wenn ihre gewaltige Außenfassade zunächst anderes verheißt. Drinnen rieselt leise der Putz von den Wänden, nur die Farbtupfer in den hohen Fenstern lenken vom schnörkellosen Innenraum ab und wer länger als drei Minuten auf den glatten Holzbänken Platz nimmt, beginnt automatisch zu frösteln. Aber das macht den Neoromanik-Bau eigentlich nur noch beeindruckender. Zumal in dieser Unsaniertheit auch die Erinnerung an eine Zeit erhalten geblieben ist, als die Kirche mit der Umwelt-Bibliothek im nahegelegenen Pfarrhaus zu einem zentralen Ort für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR wurde. Zwanzig Jahre später ist sie zugleich ein Kulissentraum für jeden Fiction-Produzenten.
Dass 13th Street mit der Produktion seiner ersten eigenen Miniserie "Culpa – Niemand ist ohne Schuld" hierher ausweichen musste, weil es unmöglich war, eine katholische Kirche zu finden, die für die Dreharbeiten ihren Beichtstuhl freigegeben hätte, ist deshalb vielleicht ein Glücksfall. Die Evangelische Kirchengemeinde am Weinberg in Berlin sagte zu. Also hat die Produktion kurzerhand ihren eigenen Beichtstuhl mitgebracht: ein Original aus dem süddeutschen Raum, an das nachträglich die Seiten drangezimmert wurden. (Der samtene Vorhang fühlt sich auch recht neu an.)
Drinnen sitzt Schauspieler Stipe Erceg ("Der Baader Meinhof Komplex") als namenloser Priester, der in jeder der vier Folgen einem Unbekannten die Beichte abnimmt – und dabei herausfindet, dass ihm sein Gegenüber ein Verbrechen anvertraut. Eines, für das der Geistliche die Absolution erteilen soll. Oder eines, das noch gar nicht geschehen ist und verhindert werden könnte – freilich ohne das Beichtgeheimnis zu opfern.
Erst Beichtstuhl, dann Showdown
"Wir haben lange überlegt, wie wir eine fiktionale Eigenproduktion für einen unserer Sender umsetzen können", sagt Karin Schrader, Director Programming & Acquisitions bei NBC Universal Global Networks Deutschland, das unter anderem die Pay-TV-Kanäle SyFy, E! sowie History (mit A+E Networks) betreibt. Weil Science Fiction mit aufwändigen Special Effects vermutlich schnell das Budget gesprengt hätte, fiel die Entscheidung zu Gunsten des vielleicht beliebtesten deutschen Genres und 13th Street als Sender aus.
Ein klassischer Krimi ist "Culpa" aber nicht. Sondern der ehrgeizige Versuch, auch mit kleinem Budget fesselnde Geschichten zu erzählen. Der Ablauf der in sich abgeschlossenen Folgen ist stark systematisiert. Zu Beginn werden die Zuschauer in kurzen Szenen an die jeweilige Geschichte herangeführt; erst in der Kirche, und vor allem: im Beichtstuhl erfahren sie aber dann gemeinsam mit dem Pfarrer, worum es wirklich geht. Eine Verschleppung? Einen Gewissenskonflikt? Die Ankündigung eines Mords gar? Für den Showdown holt "Culpa" sein Publikum wieder raus aus der Kirche – in ein Hochhaus, einen Keller, ein Gefängnis, einen Wald – und klärt sie auf, ob die Worte des Priesters gefruchtet haben.
NBC-Programmchefin Schrader sagt: "Handlung und Dialog stehen bei 'Culpa' ganz klar im Vordergrund." Gespielt werden die Charaktere von Ludwig Trepte ("Deutschland 83"), Barbara Philipp ("Tatort" Wiesbaden), Dirk Martens ("Club der roten Bänder") und Mehmet Kutuluş ("Gegen die Wand"). Nachdem die Dreharbeiten Ende der vorigen Woche beendet wurden, haben sich hoffentlich alle zur Feier nochmal zusammen in die Sauna gesetzt, so eisig, wie es in der Kirche war. Zwischen den Szenendrehs wurden den Darstellern in der vergangenen Woche dicke Daunenjacken gereicht, in der Sakristei standen riesige Thermoskannen mit heißem Kaffee und Tee bereit.
Leisten kann sich NBC Universal die Produktion unter anderem, weil die Idee zur Serie komplett im eigenen Haus entstanden ist und anschließend in enger Kooperation mit der Berliner Produktionsfirma Readymade Films entwickelt wurde. (Ausführende Produzentin ist Laura Bull, Jano Ben Chaabane führt Regie.)
Eine beeindruckende Kulisse für die Serie zu finden, hatte oberste Priorität. "Vielleicht ließen sich die Geschichten auch mit einem Psychologen in der Hauptrolle erzählen – aber wir wollten nicht in einem gewöhnlichen Zimmer mit Couch drehen, sondern haben nach einer besonderen Location gesucht", erklärt Schrader.
Jede Episode steht für sich
Im Gegensatz zu anderen Nischen-Serien ist "Culpa" visuell eher klassisch inszeniert. Die Kamera fährt langsam auf Schienen durch den Kirchenraum oder kreist am Beichtstuhl vor den Darstellern, die in ihr Zwiegespräch vertieft sind. Das passt, weil sich fast alles auf das Zusammenspiel der Hauptprotagonisten jeder Folge konzentriert. Um nicht nachvertonen zu müssen, wurden Szenen, die direkt im Beichtstuhl spielen, zuvor im Studio aufgenommen.
"Culpa" soll für das Publikum des Senders leicht zugänglich sein, deshalb gibt es keinen horizontalen Handlungsstrang. Jede Episode steht für sich. Dafür lassen sich am Rande stets neue Details über den Pfarrer und seine eigene Geschichte erfahren. Ob das Experiment funktioniert, stellt sich im Sommer 2017 heraus. Dann läuft "Culpa – Niemand ist ohne Schuld" erstmals im Programm. "13th Street ist bisher ein sehr von amerikanischen Inhalten geprägter Sender, außer unserer Produktion 'Die 13. Wahrheit' und den Kurzfilmen zum Shocking Shorts Award gab es bislang keine deutschen Programme", sagt Schrader. "Mit 'Culpa' wollen wir testen, wie diese Öffnung bei den Zuschauern ankommt."