Ich! Find! Mich! Geil!
In diesen vier Worten lässt sich der Tenor der MacTaggart Lecture von Vice-Gründer Shane Smith beim diesjährigen Edinburgh International Television Festival sehr schnell und gut zusammenfassen. Der rote Faden seiner rund 60-minütigen Rede ging in mal mehr, mal weniger unverhohlenem Eigenlob weitgehend verloren. Er war ohnehin nicht sehr originell: Unter Berufung auf allerlei jüngst erschienene Artikel spekulierte Smith über ein anstehendes Blutbad unter den großen US-Medienkonzernen. Die holprige Argumentation führte dann über einige Dinge, die die Branche unbedingt tun müsse (halt so werden wie Vice) und reichlich Werbung zur tiefgründigen Erkenntnis des Abends: Es liege an uns allen, die Welt zu verändern! Nun ja, da kann man - ebenso wie für Weltfrieden - natürlich schon mal klatschen.
Von der Argumentation und Tiefe eines Kevin Spaceys, der vor drei Jahren in Edinburgh das New Golden Age of Television analysierte, blieb Shane Smith weit entfernt. Und in einem viel zu wirren Überbau aus zusammenhangslosen Punkten gingen leider die wenigen wichtigen Aussagen beinahe verloren: So versteckte sich zwischen all dem Eigenlob und Werbung beispielsweise eine wichtige Warnung vor den Folgen von Programmatic Adverstising, also der weiteren Automatisierung von Werbebuchungen wie sie Google AdSense online etablierte. Das führe zu einer abwärtsführenden Preisspirale mit dramatischen Folgen. Doch dieser wichtige Aspekt war so kurz und kam verpackt in allerlei Anmerkungen und Gags mittlerer Sorte.
Disqualifiziert für den Job als BBC-Chef, um den er sich scherzeshalber bei seiner Rede bewarb, hat ihn am Ende seines Vortrags eine Vice-typische Argumentation: Dass Donald Trump um das Amt des US-Präsidenten kämpft und der Brexit kommt, sei ein Zeichen dafür, dass man besser informieren müsse. Auch wenn man mindestens bei Donald Trump diese Position sicher sofort teilen würde, so steckt dahinter die Argumentation aus einer konkreten politischen Haltung heraus. Das kann Vice tun - und ist damit erfolgreich. Es kann aber eben keine Blaupause sein für den Medienmarkt und Journalismus insgesamt.