Als RTL im Herbst letzten Jahres in die neue Saison startete, war man noch wie berauscht von "Deutschland 83". Endlich eine Produktion, die dem Sender - der zwar beim jungen Publikum seit über zwei Jahrzehnten Dauermarktführer ist, aber mit einigen Image-Problemen zu kämpfen hat - mal großes Lob einbrachte. Doch dieser Rausch hielt nur bis zur Ausstrahlung im eigenen Land an - dann kam der Quotenkater, von dem man sich bis heute nicht erholt hat. Weil die Zuschauerzahlen der linearen Ausstrahlung im Heimatland mit am Ende weniger als 1,7 Millionen Zuschauern und einstelligen Marktanteilen klar unter den Erwartungen blieb, drückt sich RTL bis heute um eine Entscheidung, ob es eine zweite Staffel geben wird. Produzent UFA sucht daher eifrig im Ausland nach Geldgebern und es sieht auch gar nicht so schlecht aus, doch ein Bekenntnis von RTL zu der Serie sieht definitiv ganz anders aus.
Dafür bereitete RTL eine andere Serie unerwartet viel Freude: "Der Lehrer" hat sich in Staffel 4 nochmal massiv gesteigert und hat beste Chancen, als Deutschlands beim jungen Publikum erfolgreichste Serie überhaupt aus diesem Jahr hervorzugehen. Den Dauerbrenner "Alarm für Cobra 11" hat der "Lehrer" jedenfalls längst überflügelt, die Actionserie konnte den Sinkflug nicht stoppen. Ansonsten hatte RTL in Sachen eigenproduzierter Fiction nur noch Filme zu bieten - mit dem Adidas-Film ebenso wie der nachfolgenden Doku aber zumindest einen Volltreffer mit fast fünf Millionen Zuschauern gelandet. Der "Starfighter"-Film geriet hingegen zur Enttäuschung.
Allzu dick war die "Programm-Decke" in Sachen eigenproduzierter Fiction damit also eigentlich nicht - und kommende Saison dürfte es noch nicht wesentlich anders aussehen, auch wenn vier Sitcoms und die Winnetou-Filme dazu kommen. Dabei müsste RTL eigentlich mehr Fläche denn je damit füllen, weil es in Sachen US-Fiction sehr sehr mau aussieht. "Bones" ist eigentlich als einziger Garant für zumindest in der Regel ordentliche, wenn auch keinesfalls überragende Quoten, geblieben. "CSI" ist zu Ende gegangen, "CSI: Cyber" blieb stets blass und ist auch schon wieder zu Ende, "Person of Interest" oder "The Blacklist" taugen allenfalls für den späten Abend. Und "Shades of Blue" als bislang einzige angekündigte neue Serie war schon in den USA nicht gerade der große Abräumer.
Auch in Sachen Film ist RTL nicht gerade mit umfangreicher Blockbuster-Versorgung gesegnet. Auch vor diesem Hintergrund dürfte RTL "Mensch Gottschalk" an diesem Abend auf Sendung geschickt haben - mit dem bekanntlich eher ernüchternden Ergebnis. Ansonsten sah man von allzu waghalsigen Experimenten ab. Nachdem man dort in der Vorsaison einen sehr teuren, sehr bitteren Flop mit "Rising Star" hingelegt hatte, galt in der zurückliegenden Saison offenbar die Devise: "Lieber Nummer Sicher" - also: Mehr von dem, was sich schon im Programm bewährt hat. Allerdings zeigte sich, dass diese Taktik auch kein Erfolgsgarant ist. Nehmen wir den Show-Bereich: Weil "Let’s dance" immun gegen den allgemeinen Quotenabwärtstrend zu sein scheint, gab’s nicht nur davon eine neue Staffel, sondern im Herbst eine kaum verhohlene Kopie unter dem Titel "Stepping Out". Das Publikum machte dieses durchsichtige Manöver aber nicht mit, teilweise waren die Marktanteile einstellig.
Ein weiteres Beispiel: Weil "Mario Barth deckt auf" für RTL lange ein voller Erfolg war, versuchte man sich mit "Der nächste Bitte" mit Mirja Boes und Joachim Llambi als "Reisechecker" nochmal mit einem ganz ähnlichen Rezept. Auch hier waren die Quoten ernüchternd, zudem tat sich im Frühjahr auch Barths Original unerwartet schwer. Noch ein Beispiel gefällig? Weil die Kuppel-Formate - die dank #Verafake inbesondere im Falle von "Schwiegertochter gesucht" mehr denn je ein Image-Problem sind - stabile Zuschauerzahlen verzeichnen, hatte man im Frühjahr auch noch ein "Herz zu verschenken“. Auch hier blieben die Quoten auf einem ziemlich überschaubaren Niveau. Im Dokusoap-Bereich setzte man außerdem auf ein bekanntes Gesicht: Rückkehrer Christian Rach, der kein "Restauranttester" mehr sein will, aber weiterhin nur mit möglichst ähnlich gelagerten Formaten Erfolg hat. "Rach Undercover" war so ein Fall - die Quoten waren nicht mit „Restauranttester“-Hoch-Zeiten zu vergleichen, aber ordentlich. Das bis heute noch rätselhafte Konzept der Suche nach "Deutschlands Lieblingsrestaurant" geriet hingegen zum Flop.
Sucht man nach Ausgefallenerem als noch einer Rankingshow wie "Germany’s Top 50" oder "Spektakulär - Unglaubliche Geschichten im Countdown", dann wird man schon seltener fündig. "Die Puppenstars" war so ein Fall, eine Castingshow für Puppenspieler. Das war nicht nur eine charmante Idee, sondern wurde auch mit guten Quoten belohnt. Nicht mehr in der eigentlichen Saison, aber derzeit im Sommer wird auch das Wagnis belohnt, eine Show wie "Ninja Warrior Germany" als Samstagabendunterhaltung zu programmieren - das hatten im Vorfeld nicht wenige als wenig vielversprechend angesehen. RTL schlägt sich mit seinen Sommershows dieses Jahr ohnehin wacker, auch mit "500" und dem "Sommerhaus der Stars".
Ansonsten waren es aber die altbekannten Stützpfeiler des Programms, die auch in der zurückliegenden Saison die Grundlage dafür bildeten, dass RTL auch 2015/16 unangefochtener Marktführer bei den 14- bis 49-Jährigen blieb und die Rückgänge der letzten Jahre deutlich abbremsen konnte. Das Dschungelcamp als absolutes Highlight zum Jahresbeginn, "Supertalent" und "DSDS" bleiben die wichtigsten Erfolgsgaranten am Samstag, in deren Schlepptau auch Formate wie "Take me out" oder "Willkommen bei Mario Barth" gut funktionieren, "Let’s dance" wurde schon angesprochen, "Die 2" liefert zumindest verlässlich ordentliche Zahlen, "5 gegen Jauch" tut sich hingegen inzwischen schwerer. "Undercover Boss" war so erfolgreich wie lange nicht, der "Bachelor" ließ zwar ebenso wie "Bauer sucht Frau" etwas Federn, doch beide Formate blieben ein voller Erfolg. Vom "Team Wallraff" hat man in der letzten Saison nicht allzu häufig gehört, die Folge Ende August war ebenso wie die im Januar aber aus Quotensicht ein Erfolg. Bemerkenswert in Sachen Information auch die Zusammenarbeit zwischen CORRECT!V und dem "Nachtjournal".
In der Daytime startete RTL mit zwei neuen Scripted-Reality-Formaten in die neue Saison, von dem eines - "Anwälte & Detektive" - schnell wieder Geschichte war. Mit dem "Blaulichtreport" ist es vor allem eine von Sat.1 übernommene Idee, die ordentliche, aber keinesfalls überragende Quoten am Nachmittag liefert. Es muss also weiter experimentiert werden. Bei den Soaps bleibt nicht zuletzt "GZSZ" eine Bank. Zu altem Glanz zurückgefunden hat unterdessen "Punkt 12", das mittags - ganz anders als das strauchelnde "Guten Morgen Deutschland" - wieder im Schnitt bei über 20 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen liegt. "Punkt 12" hat damit die Wende geschafft. Ob das auch dem ganzen Sender gelingt, bleibt hingegen weiter offen.