Nach 45 Jahren und 493 Ausgaben war im Sommer 2014 Schluss für Deutschlands ältestes Schwulenmagazin: "Du & Ich" wurde eingestellt. Zu wenig Leser, zu wenig Anzeigenkunden, ein Relaunch, der nicht den erwünschten Erfolg brachte. "Identifikationsstiftende Magazine für schwule Männer braucht es heute wohl nicht mehr. Man ist schwul und ein selbstbewusster Teil der Gesellschaft geworden", sagte Andreas Hergeth, der letzte Chefredakteur der "Du & Ich" damals in einem Gespräch mit der "taz".

Es ist eine schwierige Nische, denn in einer - zumindest vordergründig - zunehmend offeneren Gesellschaft haben es auch schwul-lesbische Medien offenbar schwer: Themen rund um die Toleranz und Akzeptanz von Homosexuellen werden mehr und mehr auch von traditionellen Medien besetzt. Trotzdem: Die rund fünf Millionen Schwulen und Lesben, die in Deutschland leben, finden sich in der Berichterstattung oft gar nicht oder nur missverständlich wieder. Ein Bedarf wäre also da.

Das zeigt sich etwa daran, dass der "Tagesspiegel" im vergangenen Jahr mit dem "Queerspiegel" einen Blog ins Leben gerufen hat, der sich beinahe täglich mit dem Leben von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen in Berlin und weltweit beschäftigt. Und damit – nach eigenen Angaben - das "erste große Medium in Deutschland ist, das sich mit einem Angebot direkt an die Gruppe der LGBTI and friends wendet."

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit dem Ende der "Du & Ich" ein Weg fortgesetzt hat, der sich schon mit dem Aus der Zeitschrift "Adam" abgezeichnet hatte, die im Jahre 2011 eingestellt wurde: Der Markt schrumpft, vor allem was die alten, etablierten Zeitschriften für schwule Männer angeht. „Mate“ und das englischsprachige „Winq“ sind Magazine einer neuen Art: International orientiert mit Themen rund um Mode, Lifestyle, Reisen und Food. Das funktioniert oft über Grenzen hinweg, lässt aber gesellschaftliche Themen in den Hintergrund rücken - es sei denn sie sind von internationaler Bedeutung. Die deutsche „Mate“ erscheint vier Mal im Jahr mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren.

Gleichzeitig gibt es gerade aber Bewegung auf dem Markt für lesbischen Frauen: Während das "L-Mag", das im gleichen Verlag erscheint wie zuvor "Du&Ich", lange Zeit, dass einzige Magazin für frauenliebende Frauen war, ist im Sommer 2015 mit der "Straight" noch ein zweites Heft dazu gekommen, seit Ende 2015 versucht sich „Libertine“ auf dem Markt zu etablieren, hat aber direkt am Anfang verpasst, wirklich auf sich aufmerksam zu machen.

Ausschließlich für schwule Männer gibt es in Deutschland hingegen nur noch das Magazin "Männer", das einmal im Monat für 7,95 Euro im Bruno Gmünder Verlag erscheint – und 2014 Insolvenz anmelden musste. Der Verlag und damit auch das Magazin konnten zwar gerettet werden, aber viel hat sich auf dem Markt seitdem nicht getan."Ich fühle mich wohl in der Nische und will dort trotzdem keinen schwulen Journalismus oder einen Jammerjournalismus machen, sondern einfach Geschichten erzählen", sagt Kriss Rudolph, seit anderthalb Jahren Chefredakteur von "Männer". Aber man müsse nicht mehr auf jede homophobe Äußerung reagieren. "Unsere Themen sind für eine schwule - oder schwulenfreundliche - Leserschaft aufbereitet, bieten unter anderem die Rubriken Politik und Kultur an, wie jedes andere Magazin sie auch macht."

"Männer" gibt es seit den 80er Jahren und hat sich seitdem von einer Kontaktbörse zu einem Hochglanz-Magazin entwickelt, in dem Geschichten über schwule Flüchtlinge genauso Platz finden, wie die Ehe für alle. In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass niemand mehr ein Schwulenmagazin kauft, um sich ausschließlich nackte Männer anzuschauen – dafür ist Raum im Internet. Vielmehr geht es darum, die Lebensrealität von schwulen Männern abzubilden. "Wir merken aber auch, dass das Interesse an uns online deutlich stärker wächst als im Printbereich", sagt Rudolph. Nichtsdestotrotz hat sich die Leserschaft mittlerweile stabilisiert: "In unserer Leserschaft hat sich eine große Kontinuität gezeigt: So lesen uns zum großen Teil Männer über 40, die einen Job haben und in einer Beziehung leben, zum großen Teil in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft", so Rudolph.

Auf dem Markt der schwulen Presse ist außerdem noch die „Blu“ zu nennen, ein Lifestyle-Magazin, das ähnlich wie die „Männer“ überregional erscheint. Es ist nach eigenen Angaben eines der größten in Deutschland und hat anders als die anderen Magazine – nach Angaben von Sales Managers Ulli Köppe - nicht mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Die Auflage liegt nach IVW-Zahlen monatlich bei 105.000 Exemplaren. Sie erscheint sowohl als kostenpflichtiges Magazin, als auch mit kostenlosen Regionalausgaben – dieses Konzept versucht auch gerade die "Siegessäule". Deren Verkauf lohnt sich allerdings kaum, so dass ein Großteil der Auflage weiterhin kostenlos verteilt wird.

Die "Siegessäule" richtet sich sowohl an Schwule als auch an Lesben, aber auch transsexuelle Menschen und hat nach eigenen Angaben zehn Prozent heterosexuelle Leser. Bis vor Kurzem erschien es ausschließlich in Berlin und war dort mit einer Auflage von knapp 53.000 das auflagenstärkste Stadtmagazin. Nun gibt es die "Siegessäule" auch deutschlandweit in über 100 Städten. Anders als in Berlin ist die Zeitschrift dort allerdings nicht umsonst, sondern schlägt mit 3,50 Euro zu Buche. Es ist ein Versuch, eine noch größere Leserschaft zu erreichen. Die Siegessäule ist damit eine Ausnahme im Bereich der schwul-lesbischen Stadtmagazine: Andere haben mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen oder wurden von einem größeren Verlag aufgekauft.

Im gleichen Verlag wie die "Siegessäule" – der Special Media SDL GmbH – erscheint auch Deutschlands ältestes Magazin für Lesben. "Wir machen ein Magazin für Frauen, die sich mit ihrem Lesbischsein identifizieren und versuchen dabei deren Lebensrealität abzubilden", erklärt Manuela Kay, Chefredakteurin des "L-Mag" und gleichzeitig Geschäftsführerin der Special Media SDL GmbH . Dabei will das Magazin die ganze lesbisch Vielfalt abbilden, so dass sich jede in einem der Vorbilder, die "wir zeigen wiederfinden kann - mit einem feministischen Anspruch." 

"L-Mag" gibt es mittlerweile seit zwölf Jahren - zunächst kostenlos, mittlerweile am Kiosk und als Abo in einer Auflage von 17.000 Exemplaren. "Seit es einen Verkaufspreis hat, wird es auch ernst genommen", sagt Kay. Die Auflage ist in den letzten Jahren zwar gesunken, aber das Heft profitiert davon, dass es in einer Nische erscheint. "Aber wir machen darin sehr professionellen Journalismus und sind kein Selbsthilfeverein für die lesbische Community." Früher lag das "L-Mag" im Buchhandel lange Zeit zwischen pornografischen Magazinen. "Das ist schon eine Weile nicht mehr so, aber es war ein langer Weg, das dem Zeitschriftenhandel wieder und wieder zu erklären." Heute findet man es zwischen anderen Frauenzeitschriften, meist neben der "Emma", die sich selbst als politisches Magazin für Menschen begreift.

Mit einer vergleichbaren Auflage wie "L-Mag" ist im vergangenen Jahr auch "Straight" gestartet. Sie ist damit eines der jüngsten Magazine für frauenliebende Frauen: "Wir starteten mit einer Auflage von 15.000, ursprünglich sollte die gar nicht so hoch sein, aber die Nachfrage der Händler war schon im Vorfeld so hoch", sagt Chefredakteurin Felicia Mutterer gegenüber DWDL.de. Das lag nicht zuletzt an einer Kampagne, die den Start des Magazins begleitet hatte: In dem Video wird die Doppelgängerin von Angela Merkel zärtlich von einer Frau umarmt. "Das hat uns natürlich sehr viel Auftrieb gegeben – und wir haben mit dem Heftlaunch und dem Video den perfekten Zeitpunkt erwischt", sagt Mutterer. Bislang sind zwei Ausgaben erschienen, es wird sich zeigen, ob der Nischenmarkt so viel Konkurrenz verträgt- oder sich die beiden Print-Magazine nicht gegenseitig die Leserinnen wegnehmen.

Ausschließlich online erscheint hingegen "Phenomenelle", das sich an lesbische, bisexuelle und queere Frauen richtet und seit 2012 besteht: "Wir haben den Anspruch mindestens einen Artikel pro Woche zu veröffentlichen in unterschiedlichen Formaten", sagt Sabine Arnolds, eine der Gründerinnen. Im deutschsprachigen Raum sieht man sich konkurrenzlos: "Es gibt zwar etwa Seiten wie etwa "Konnys Lesbenseiten", auf denen ich als lesbische Frau zu allen möglichen Themen Informationen finde, aber wir orientieren uns stärker am englisch-sprachigen Raum. Vorbilder sind viel mehr 'Afterellen' und 'Shewired'". Auch "L-Mag" oder "Straight sieht man nicht als Konkurrenz: "Ich lese beide, und bin froh, dass sich so der Markt erweitert," sagt Arnolds.