Irgendwann in diesem Jahr soll es kommen, das noch immer namenlose Jugendangebot von ARD und ZDF. Zwei Jahre nachdem die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten das Vorhaben nach zähem Ringen beschlossen. Dass sich die Öffentlich-Rechtlichen bei ihrem künftigen Jungbrunnen auf das Internet beschränken müssen, kam damals ebenso überraschend wie der Beschluss vom Fortbestand von Einsfestival, jenem Kleinstsender, der von einer überschaubaren Mannschaft des WDR zuvor am Leben gehalten wurde, obwohl über ihm lange Zeit der Sensemann schwebte. "Für all die kreativen Leute war die Zeit der Ungewissheit keine gute Zeit", erinnert sich Karin Sarholz, die sich als Leiterin der WDR-Abteilung Programmdesign und Multimedia auch um Einsfestival kümmert.
"Es war unglaublich schwierig zu verhindern, dass die Stimmung in den Keller geht", sagt sie rückblickend im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Entsprechend groß war die Freude, als die Politik doch noch grünes Licht erteilte. "Als wir erfahren haben, dass es weitergeht, haben bei uns natürlich die Sektkorken geknallt. Seitdem spürt man Tag für Tag einen echten Spirit in unseren Räumen", erzählt Sarholz. Optimistisch sei sie jedoch immer gewesen. "Wer hätte denn vor 30 Jahren gedacht, dass es die Mauer einmal nicht mehr gibt?", scherzt sie und strahlt mit ihrer Kollegin Karin Egle um die Wette. Dass das nicht immer so war, lässt sich erahnen, wenn man weiß, dass die Redaktion in der Zeit der Ungewissheit dazu gezwungen war, eine Sendung einzustellen und Stellen nicht zu verlängern.
Den Schwebezustand beschreibt Karin Egle sehr treffend mit einem Serien-Vergleich: "Wir waren eine Zeit lang 'The Walking Dead', jetzt sind wir 'The Returned'." Alles auf Anfang, gewissermaßen. Ärgerlicherweise hat das Warten aber nicht nur Nerven gekostet, sondern auch Marktanteile. Während sich andere Minikanäle wie ZDFneo stetig entwickeln konnten und es inzwischen auf teils beachtliche Quoten bringen, dümpelte Einsfestival zuletzt bei Werten zwischen 0,3 und 0,4 Prozent vor sich hin. Für hohe Quoten sorgen bislang vor allem die Wiederholungen von "Tatort" und "Lindenstraße". "Der Rückstand zu ZDFneo ist nach dem Stillstand der letzten Jahre nur schwer aufzuholen", gibt Karin Sarholz unumwunden zu. Neid, so sagt sie, spüre sie jedoch nicht. "Aber selbstverständlich hätte ich es auch super gefunden, 30 Millionen Euro zu bekommen und Werbung für Einsfestival im Hauptabendprogramm zu machen."
Die Realität sieht freilich anders aus. Und so versucht das Einsfestival-Team, mit den Gegebenheiten das bestmögliche Programm auf die Beine zu stellen. Einen Hoffnungsträger hat man sich nun schon mal an Land gezogen: Von diesem Dienstag an wird Einsfestival täglich am späten Abend um 23 Uhr die "Tonight Show" mit Jimmy Fallon zeigen - "ein echter Hauptgewinn", sagt Sarholz stolz und macht zusammen mit ihren Kollegen aus der Not eine Tugend. "Wir versuchen gar nicht erst, die Übersetzung lippensynchron zu machen. Die Shows werden am nächsten Tag mit Untertiteln gesendet - und fertig." Ob die deutschen Zuschauer Gefallen finden an der amerikanischen Late-Night-Show wird sich zeigen, doch die Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken war Einsfestival schon mal sicher, als der Sender kürzlich die Ausstrahlung in Aussicht stellte.
Einen ersten Seitenhieb musste man sich allerdings beim Deutschen Fernsehpreis gefallen lassen. Da standen die Macher von Jan Böhmermanns "Neo Magazin Royal" auf der Bühne und gaben zu verstehen, dass es doch wesentlich schwieriger sei, eine deutsche Late-Night-Show zu entwickeln als eine fertige Produktion aus Amerika zu übernehmen. "Klar würden wir gerne was mit den Jungs der bildundtonfarbik entwickeln, wenn wir das entsprechende Geld zur Verfügung hätten. Aber das ist nicht unsere Situation", entgegnet Karin Sarholz. "Du musst ja auch erst mal eine Figur wie Jimmy Fallon haben. Ich sehe - auch bei aller Wertschätzung für unsere Entertainer - in Deutschland derzeit nicht wirklich jemanden in dieser Größenordnung, auch wenn es ganz viele großartige Talente gibt." Und Karin Egle ergänzt: "Wir bewundern, was die Jungs der bildundtonfabrik auf die Beine stellen. Es ist eine Kunst, eine Late-Night-Show zu adaptieren. Aber es ist ebenso interessant zu sehen, was die Amerikaner machen. Für beides gibt es eine Fangemeinde. Ich glaube, dass da auch durchaus Überschneidungen bestehen. Es ist kein Entweder-Oder, sondern es ergänzt sich genial."
Wie groß die Vorfreude auf Fallon ist, zeigt sich übrigens daran, dass sich die Mannschaft von Einsfestival seit Bekanntwerden der Vereinbarung mit NBC größte Mühe gab, ein frisches Design zu entwickeln. Das ist nun schon seit einigen Tagen on air und ist vor allem: bunt. Da darf sogar eine Schnecke Skateboard fahren. "Als kleiner Sender müssen wir anders sein, um wahrgenommen zu werden", weiß Egle. Man müsse schließlich nicht der breiten Masse gefallen. Steigen sollen die Quoten von Einsfestival nach Möglichkeit aber trotzdem, auch wenn es weder Erfolgsvorgaben noch zusätzliches Geld gibt. "Bei einem Prozent beginnt der Spaß", sagt sie, ohne sich dabei auf einen Zeitplan festzulegen. Auf dem Weg zur Eins vor dem Komma soll nicht nur Jimmy Fallon helfen, sondern auch eine ganze Reihe von Serien, darunter "Doctor Who", "Sensitive Skin" oder die australische Produktion "Miss Fishers". Hinzu kommen "Cuckoo", "Little Britain", "Coupling", "Torchwood" sowie "Schnell ermittelt" aus Österreich.
Was fehlt, sind Eigenproduktionen. Abgesehen von "NightWash" ist Einsfestival diesbezüglich momentan ziemlich schwach auf der Brust. Wünschenswert seien zwei oder drei eigene Formate, die zur Profilschärfung beitragen. Dafür brauche es aber nicht nur Geld, sondern auch junge Redakteure. "Es gibt genügend talentierte junge Leute, die wir ausbilden - davon würden wir einige liebend gern behalten", sagt Karin Sarholz im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Dass die jungen Leute bei ARD und ZDF künftig auch an anderer Stelle gebraucht werden, sehen sie und Karin Egle indes nicht als Widerspruch. Konkurrenz im eigenen Haus wollen sie durch das geplante Jugendangebot jedenfalls nicht erkennen, weil das ja deutlich jünger positioniert sein werde als Einsfestival, das nun dazu verdonnert ist, irgendwo auf dem deutschen Fernsehmarkt seine Positionierung zu finden. Ausgang? Ungewiss. Die Motivation der Macher ist jedoch zu spüren. Totgesagte leben eben länger.