Als Gegenstück zu den Peinlichkeiten des Medienjahres, die vom Medienmagazin DWDL.de mit dem schon legendären Goldenen Günter geehrt werden, blickt die Redaktion zum Jahresende auch zurück auf die besonders positiven Entwicklungen der vergangenen Monate. Nach intensiven Diskussionen und Überlegungen sind es diesmal vier bzw. fünf Aufsteiger des Jahres 2015. Sie folgen auf die Aufsteiger des vorherigen Jahres, zu denen mit Max Uthoff und Claus von Wagner das Duo der „Anstalt“ gehörte, welches für Unterhaltung mit Haltung geehrt wurde.

Gewürdigt wurden vor einem Jahr auch Christine Strobls Bemühungen um eine Neuaufstellung der Degeto und Sky-Deutschland-CEO Brian Sullivan für den wirtschaftlichen Erfolgskurs des Unternehmens. Der engagierte TV-Produzent und Rechtehändler Jan Mojto sowie Vox-Geschäftsführer Bernd Reichart, dessen Mut zu einer eigenproduzierten Serie wir schon vor einem Jahr würdigten, komplettierten die Aufsteiger des Jahres 2014. Und hier sind nun die Aufsteiger des Jahres 2015:

Gerda Müller und Jan Kromschröder

In Bezug auf Fernsehserien „made in Germany“ gilt natürlich: Auch andere Eltern haben schöne Kinder. Aber das Führungsduo der Kölner Produktionsfirma Bantry Bay hatte im ersten Jahr des Bestehens der Neugründung bereits einen sehr bemerkenswerten Doppelerfolg. Die Mysteryserie „Weinberg“ für TNT Serie sowie „Club der roten Bänder“ für Vox ernteten nicht nur beinahe einhellig Kritiker-Lob, sondern konnten im Fall der etwas anderen Krankenhausserie auch einen enormen Zuschauererfolg für sich verbuchen: Es ist der erfolgreichste Neustart einer deutschen Serie (in der Zielgruppe 14-49) seit langer Zeit und schaffte im Laufe der ersten Staffel trotz fortlaufender Handlung das beinah Unmögliche: Zuschauer hinzuzugewinnen.



Dieser Erfolg ist nicht nur wichtig für Bantry Bay, einer der vielen Beteiligungen von Jan Mojto (unserem Vorjahres-Aufsteiger). Er ist auch der dringend benötigte Beweis, dass die neue deutsche Serienwelle mehr sein kann als nur ein frommer Wunsch einiger Marktteilnehmer. Das Publikum honoriert ganz offensichtlich ungewöhnliche Geschichten und bleibt sogar im werbefinanzierten Fernsehen über Wochen einer fortlaufenden Geschichte treu. Ungewöhnlich im Vergleich zur deutschen Serienware war auch „Weinberg“. Mit der Mysteryserie präsentierten Müller und Kromschröder das, was man im Englischen als High-Concept-Serie bezeichnen würde.

Das Führungsduo von Bantry Bay steht aber auch stellvertretend für zwei interessante Entwicklungen im Bereich der fiktionalen Eigenproduktionen im deutschen Fernsehen: Beide Serien entstanden in einer neuen Art der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Sender und unter besonderer Betonung der Autoren hinter den Produktionen. Dass die Namen Jan Martin Scharf und Arne Nolting im Zusammenhang mit „Weinberg“ und „Club der roten Bänder“ so präsent waren, ist auch der Tatsache geschuldet, dass nicht mehr allein die Produzenten selbst oder allenfalls noch die Regisseure im Mittelpunkt stehen. Es gehe letztlich darum, Umfelder zu schaffen, in denen sich Kreativität entfalten könne, sagten Müller und Kromschröder im DWDL.de-Interview. Das ist ihnen bei Bantry Bay auf Anhieb gelungen.

Dunja Hayali

Bereits im Sommer bemerkte DWDL.de in einer Analyse ihres „Donnerstalk“, dass sich Dunja Hayali für weit mehr empfiehlt als die Moderationen im „ZDF Morgenmagazin“. Das als Sommervertretung von „Maybrit Illner“ programmierte Format war noch etwas zu ambitioniert bestückt und hechtete durch eine zu hohe Themendichte, doch Dunja Hayali konnte ihre Qualitäten bereits erkennbar ausspielen: Sie war eine nahbare Gastgeberin mit Haltung. Hayali beherrscht die hohe Kunst, in Gesprächen sehr schnell zu erkennen, auf welchem Level sie am meisten von ihrem Gegenüber erfahren kann. Ihre Moderation des „Donnerstalk“ war stets persönlich und relevant ohne dabei jedoch gefühlsduselig oder skandalisierend zu sein. „Herr Himmler, machen Sie Platz für Frau Hayali“, forderte DWDL.de im August.

Im Oktober kam dann jedoch noch ein entscheidender Nachschlag, der Hayali inzwischen auch verdientermaßen eine Nominierung für den Deutschen Fernsehpreis beschert hat: Ihre Recherche vor Ort bei einer AfD-Demonstration in Erfurt demonstrierte eine Art Fernsehjournalismus, die sicher nicht nur von Dunja Hayali praktiziert wird, aber dennoch viel zu selten zu beobachten war in einem Jahr, in dem den großen Medien mehr als nur einmal Voreingenommenheit unterstellt wurde. Hayali suchte das Gespräch mit Teilnehmern der Demonstration und blieb auch angesichts der absurdesten Antworten und politischen Statements sachlich interessiert. Sie gab sich sichtlich Mühe, die Argumentationen ihrer Gesprächspartner verstehen zu wollen.

Sowohl beim „Donnerstalk“ im Sommer als auch in Folge ihrer Recherche bei der AfD-Demonstration in Erfurt thematisierte Hayali den ihr im Netz entgegenschlagenden Hass. So offen und kontinuierlich wie kaum eine andere Journalistin mit vergleichbarer Exposition ließ sie uns daran teilhaben, wie diese Anfeindungen im Netz zu einer echten Belastung werden können, bei der auch Hayali zuletzt nachvollziehbar der Geduldsfaden riss. Es ist oft ein unfassbar nerviges Modewort, aber in diesem Zusammenhang unmissverständlich als Lob zu verstehen: Dunja Hayali ist authentisch. Oder wie Hans Hoff es im November schon formulierte: Dunja Hayali ist ein Glücksfall für das deutsche Fernsehen.

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