In sechs von neun Monaten zwischen September 2014 und Mai 2015 holte Sat.1 einen höheren Marktanteil als im gleichen Monat des vorhergehenden Jahres. Sowohl ProSieben als auch RTL gelang das in keinem einzigen. In einer Zeit, in der die Fragmentierung ohne Frage Fahrt aufnimmt - getrieben gerade auch durch die noch recht jungen Ableger der ProSiebenSat.1-Gruppe - ist das eine nicht zu unterschätzende Leistung. Und doch sollte der Jubel in Unterföhring beim Blick auf die Saison-Bilanz doch eher verhalten ausfallen. Denn Sat.1 gelang es auch in der Saison 2014/15 in keinem Monat, die 10-Prozent-Marke zu überspringen.
Und dann gehört zur Beurteilung einer Saison ja auch die Frage, welches Format die Saison geprägt hat, für welches Format sie in Erinnerung bleiben wird. Für eine deutsche Serie? Nein - und zwar, weil Sat.1 hier erschreckenderweise völlig blank war. "Danni Lowinski" brachte man im September noch schnell zu Ende, dann stand der Sender mit so großer Serien-Tradition mit gänzlich leeren Händen da. Immerhin muss Sat.1 die Saison nicht als komplett verloren abhaken: Der Film "Einstein" hat so erfreuliche Quoten geholt, dass man ihn mit Tom Beck in der Hauptrolle prompt in Serie schicken wird. Mit "Frauenherzen" wird noch aus einem zweiten Film übrigens eine Serie. Der lief allerdings schon im Januar 2014, eineinhalb Jahre später ist von der Serie noch nichts zu sehen. Bei "Crossing Lines" ist Sat.1 zumindest der deutsche Partner, die zweite Staffel konnte aber aus Quotensicht nicht überzeugen.
Auch bei den eigenproduzierten Filmen gelang Sat.1 in der zurückliegenden Saison kein Event. Schlecht liefen die Filme dabei nicht, die Erstausstrahlungen kamen auf über 11 Prozent Marktanteil. Doch das Highlight fehlte. Die "Schlikkerfrauen" hätten eines werden sollen, mit knapp über drei Millionen Zuschauern blieb die komödiantische Aufbereitung der Schleckerpleite aber unter der Aufmerksamkeitsschwelle der meisten Deutschen. Problematisch bei den Filmen übrigens: Anders als in früheren Jahren lassen sie sich kaum wiederholen - bzw. nur mit teils sehr schwachen Quoten.
Wird die Saison dann vielleicht für eine US-Serie in Erinnerung bleiben? Nun, Sat.1 hat hier wirklich inzwischen ein erstaunliches Portfolio an Krimiserien angehäuft. Zu Dauerbrennern wie "Navy CIS" - das anders als früher nur noch in Erstausstrahlungen, nicht mehr in Wiederholungen überzeugen kann - und "Criminal Minds" gesellten sich noch "Detective Laura Diamond", "Scorpion", "Stalker", "Navy CIS: New Orleans" und "Profiling Paris". "Castle" hat man sich von kabel eins wieder zurückgeholt. Sie alle passten sich vergleichsweise problemlos in die inzwischen drei US-Serien-Abende am Montag, Donnerstag und Sonntag mit Marktanteilen von im Schnitt zwischen 9 und 11 Prozent ein. Neue Serien auf Senderschnitt - das würde man sich andernorts auch wünschen. Die US-Serien stabilisierten letztlich also den Marktanteil - voran brachten sie Sat.1 aber nicht.
Das war schon mehr als man von vielen Shows in der letzten Saison behaupten konnte. Aber erstmal zum Positiven aus diesem Genre: "The Voice" blieb ein voller Erfolg mit sogar minimal höherem Marktanteil als im Vorjahr, auch auf "The Voice Kids" konnte sich Sat.1 - wenn auch eine ganze Liga tiefer - verlassen. Doch abseits dieser großen Castingshow-Reihen tat sich Sat.1 schwer. "Deal or no Deal" konnte zwar im Sommer solide Quoten holen, ging aber während stärker umkämpfter Zeiten ebenso unter wie "Die perfekte Minute" oder "Was weiß ich?" - allesamt waren sie nach 1-2 Folgen wieder Geschichte, und allesamt liefen sie am Mittwochabend. Dort scheiterte übrigens auch der erneute Versuch, mit "Gossip" ein Klatschmagazin zu starten, einmal mehr kläglich.
Ja, der Mittwochabend - ein dauerhafter Problemplatz für den Sender, spätestens seit man sich die Champions-League-Rechte vom ZDF abnehmen ließ. Eigentlich kann man Sat.1 fast nur raten, den Mittwoch erstmal brachliegen zu lassen und mit Filmen zu überbrücken, statt dort ein Format nach dem anderen zu versenken. Schließlich bräuchte man die Shows doch eher, um vielleicht mal ein durchgehendes Show-Lineup am Freitag auf die Beine zu stellenn. Und die Dokusoaps, um mal den Sonntag-Vorabend durchgehend zu bespielen, zumal RTL dort längst in Schlagdistanz ist. Stattdessen wurden auch viele Dokusoaps in der Mittwochs-Primetime versenkt. "Das große Backen" - am Vorabend ein Erfolg, mittwochs ein Flop. "The Biggest Loser" hat zwar eine beachtliche Fangemeinde, aber nicht, um gleich zwei Mal pro Woche mittwochs und sonntags gute Quoten zu holen. "The Taste" gehörte mit im Schnitt 9,6 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe ohne Frage schon zu den Aktiv-Posten auf diesem Sendeplatz. Mit "Nur die Liebe zählt" versuchte man es sogar dienstags und ging auch dort unter.
Zu den schönen Erfolgen der vergangenen Saison gehört auch noch eine weitere Dokusoap: "Hochzeit auf den ersten Blick" startete vielleicht wegen des schlagzeilen-trächtigen Konzepts gut - wildfremde Menschen heiraten zuerst, lernen sich dann kennen und entscheiden danach, ob sie sich wieder scheiden lassen wollen - , bewies aber dann mit überaus stabilen Quoten auf einem starken Niveau, welches Potential die Sendung hat. Man muss ihr schon fast die Daumen drücken, dass nicht die Verlegung auf den Mittwochabend droht. Und dann darf da natürlich noch Julia Leischik mit "Bitte melde dich" nicht bei den Erfolgen vergessen werden. Doch prägend - nein, prägend waren auch diese Formate für die Saison eher nicht.
Wenn man nochmal überlegt, für welche Genres Sat.1 früher stand, dann war das auch die Comedy. Man stelle sich vor: Als man einst einen Pay-TV-Ableger ersann, nannte man ihn "Sat.1 Comedy" - angesichts des seit Jahren dürftigen Comedy-Angebots inzwischen längst umbenannt in Sat.1 Emotions. Immerhin: Sat.1 hat versucht, mit neuen Formaten neuen Schwung in sein Comedy-Angebot zu bringen. "Luke! Die Woche und ich" war da wohl der ambitionierteste Versuch. Zweistellige Marktanteile blieben Luke Mockridge aber stets verwehrt. Noch immer nicht richtig bei Sat.1 angekommen ist die einst so freudig vorgestellte Cindy aus Marzahn. Mit "Schwarz rot pink" bekam sie zwar ein neues Format, trotz "The-Voice"-Vorlauf blieb sie aber blass. Schlecht lief auch die Impro-Comedy "Jetzt wird's schräg" nicht. Sie war gehobenes Mittelmaß - und damit eben auch unauffällig.
Doch wofür fiel Sat.1 denn nun auf in der zurückliegenden TV-Saison? Wenn man mal noch den August dazu nimmt, dann fallen einem vor allem zwei Dinge ein: Zum Einen "Promi Big Brother". Jeder Sender träumt von seinem eigenen Dschungelcamp-artigen Event, Sat.1 hat es im zweiten Anlauf gefunden. Nachdem die erste Staffel noch inhaltlich wie aus Quotensicht zum Rohrkrepierer mutierte, machte man in Runde 2 so vieles so viel besser und wurde über zwei Wochen hinweg tagtäglich ab 22:15 Uhr mit im Schnitt fast 19 Prozent Marktanteil belohnt. Das ist etwas, auf das Sat.1 zum Start in die neue Saison aufbauen kann.
Und dann ist da das andere prägende Format, auf das man wohl nicht aufbauen kann: "Newtopia". Es wäre genau das gewesen, was Sat.1 - das sich alles in allem sonst ja gar nicht so schlecht schlug - gebraucht hätte. Ein Format, das den Vorabend und damit den Sender wieder in Schwung bringt, so wie "Verliebt in Berlin" mal dem ganzen Sender neues Selbstvertrauen gab und ihn auf ein anderes Quotenniveau hob. Die Voraussetzungen waren gar nicht schlecht: 2,8 Millionen Zuschauer schalteten am ersten Abend das zurückhaltend als "größtes TV-Experiment aller Zeiten" angepriesene "Newtopia" ein, der Marktanteil in der Zielgruppe lag bei hervorragenden 17 Prozent. Doch dann ging schief, was schief gehen konnte: Erst wurde es langweilig, dann peinlich, als vor den Augen aller Interessierten offenbart wurde, dass es eben doch erhebliche Einmischung von Außen gab - die Details wurden nun wirklich zur Genüge besprochen. Auch heute noch holt "Newtopia" höhere Marktanteile als zuvor die Wiederholungen von "Navy CIS" auf diesem Sendeplatz. Insofern trägt auch "Newtopia" dazu bei, dass Sat.1 seinen Marktanteil minimal steigern konnte, ebenso übrigens wie das sanierte Nachmittagsprogramm. Doch die Wette darauf, mit dem teuren Programm den Sprung zurück über die 10-Prozent-Marke, den Sprung zurück in den Wettbewerb mit ProSieben, vielleicht sogar RTL zu schaffen, die ging nicht auf. So hängt Sat.1 weiter klar unter der 10-Prozent-Marke fest. Festgefahren in Königs Wusterhausen.