Ab morgen steht doch einfach nur ein neuer Name auf der Titelseite. An der Erscheinungsweise ändert sich nichts. An den Besitzverhältnissen ändert sich nichts: Schon vor zehn Jahren kaufte die "New York Times" der "Washington Post" ihre Anteile ab. Warum also wird der Umbenennung der "International Herald Tribune" in "International New York Times" weltweit so aufmerksam begleitet, könnte man fragen. Weil es um eine Ikone der Zeitungslandschaft geht, die weltweit gelesen wird. Nicht von vielen - muss man ergänzen. Eine aktuelle Auflage ist nicht bekannt, von gut 200.000 ist in der Branche die Rede. Aber die "International Herald Tribune" hat sich wie keine andere Zeitung der Welt einen globalen Anspruch herausgearbeitet und wird vorwiegend von reisender Wirtschafts- und Politelite gelesen. Sie bietet in Ländern, in denen permanenter Internetanschluss noch keine Selbstverständlichkeit ist, entscheidenden Anschluss ans Weltgeschehen. Darüber hinaus kennen nicht viele die Zeitung, weil sie nicht von Exklusiv-Geschichten lebt, wie andere große lokale Zeitungsmarken aus den USA und Großbritannien. Sie deckt keine Skandale auf. Die "International Herald Tribune" erfüllt stattdessen sorgsam und unaufgeregt ihre Chronistenpflicht - was sie zum Anachronismus macht. Und ihren Relaunch als "International New York Times" so spannend.



Doch um die diese Zeitung zu verstehen, muss man kurz in ihre Geschichte eintauchen. Ursprünglich 1887 als Schwesterzeitung des "New York Herald" unter den Namen "Paris Herald" gegründet, hat die Zeitung insbesondere durch ihre Verzahnung mit dem Schwesterblatt im Big Apple zahlreiche Umbenennungen und Eigentümer-Wechsel hinter sich. 1924 wurde sie in "Paris Herald Tribune" umbenannt. Erst mit dem Einstieg der "Washington Post" 1966 und dem Einstieg der "New York Times" ein Jahr später, entstand die Marke "International Herald Tribune". Der Sitz der Zeitung blieb weiterhin Paris (erst später folgten Standorte in London und Hong Kong). Von dort aus entwickelte sich die Zeitung nach Anfangsjahren als Schwesterblatt und einigen chaotischen Jahren in geordneten Verhältnissen - und mit genügend Unabhängigkeit von den beiden Gesellschaftern zur wichtigsten internationalen Tageszeitung. Das Interesse von "New York Times" und "Washington Post" war übrigens rein finanziell: In einer noch nicht durch das Internet vernetzten Welt, war die "International Herald Tribune" im internationalen Geschäftsleben ein gefragtes Medium - für Leser und Werbekunden.

Über den Transport des Markennamens der beiden Mütterhäuser hat sich da keiner Gedanken gemacht. "New York Times" und "Washington Post" tauchten nur klein unter dem Zeitungstitel auf. Doch das Nachrichtenfernsehen und dann das Internet setzten der wirtschaftlichen Attraktivität der "International Herald Tribune" Ende der 90er, Anfang der 2000er zu. Vor zehn Jahren verkaufte die "Washington Post" ihre Anteile an die "New York Times". In Folge dessen erschien die "International Herald Tribune" mit der Unterzeile "The Global Edition of the New York Times". Doch die Unterzeile ist der "New York Times" jetzt nicht mehr genug. Im Internet hat man den Webauftritt des "International Herald Tribune" schon vor fünf Jahren in den der "New York Times" integriert. Ab Dienstag steht jetzt auch in großen Buchstaben "International New York Times" auf der Titelseite einer Zeitung, die einmal mehr einen spannenden Wandel vor sich hat.

International Herald Tribune© IHT

Wird die Marke "New York Times" helfen? Oder als schwindende  Unabhängigkeit wahrgenommen? Im Big Apple betrachtet man das eher aus umgekehrter Perspektive Das erklärte Ziel hinter der Umbenennung ist eine Stärkung der "New York Times" im Ausland. Eine Zeitung als Werbebotschafter - und Sprungbrett in die digitale Welt, von der man sich nicht nur bei der "New York Times" mehr Wachstum verspricht als mit bedrucktem Papier. An der gedruckten "International New York Times" wolle man aber nicht rütteln. Zumindest in den nächsten fünf Jahren nicht. Vorerst bleibt also dieser gedruckte Anachronismus erhalten: Eine angenehm unaufgeregte Zeitung, die das beinahe unmögliche versucht. Sie will nicht nur einmal am Tag das weltweiter Geschehen auf Papier zu bringen - sondern es auch noch weltweit verkaufen. Ein gedruckter Anker für alle Geschäftsreisende, die zwischen den Zeitzonen unterwegs sind - und über den Wolken (in der Regel) noch keinen Zugriff aufs Internet haben.