Die Schaffung von Marken war eines der erklärten Ziele des ZDF. Mit dem Wissensmagazin "Terra Xpress" versucht man, an die Erfolge von "Terra X" anzuknüpfen, die Dokumentationen am Mittwochabend wurden unter dem Label "ZDFzoom" gebündelt und dienstags sind die Dokus inzwischen als "ZDFzeit" auf Sendung. Doch nach dem Ende der Saison bleibt vor allem eines festzuhalten: Die Markenbildung gestaltet sich schwieriger als womöglich erhofft. Die Zuschauerzahlen bewegen sich zumeist auf überschaubarem Niveau - und "ZDFzeit" punktet nur dann, wenn gerade royale Themen auf der Agenda stehen.
Gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de zeigte sich Chefredakteur Peter Frey allerdings zufrieden mit der Entwicklung. "Bei 'ZDFzeit waren wir in letzter Zeit - zugegebermaßen mit royalen Stücken - erfolgreich, im zweistelligen Bereich. Von anspruchsvolleren Stoffen, zum Beispiel der 'Griechenland-Lüge', die wir auch um 20:15 Uhr gesendet haben, kann man das nicht erwarten", so Frey. "Bei 'ZDFzoom' habe ich vor einem Jahr acht Prozent als Ziel ausgegeben. Inzwischen liegen wir sogar leicht darüber, mit "Hopfen und Malz verloren hatten wir" vor zwei Wochen elf Prozent. Ich bin mit der Entwicklung hochzufrieden."
Doch ganz frei von Kritik bleiben viele der neuen Formate nicht. Ob "Terra Xpress" tatsächlich in vollem Umfang den Verlust von "Abenteuer Wissen" kompensieren kann, ist zweifelhaft und bei "ZDFzeit" bleibt der Zuschauer nicht selten mit dem Gefühl zurück, dass eigentlich nur an der Oberfläche gekratzt wurde. Vielleicht ist es so etwas wie Angst, das Publikum zu überfordern? Die Zuschauerzahlen zeigen jedoch eines: Wirklich gut kommt diese Form der Information in vielen Fällen nicht an. Gleiches gilt für die "heute"-Sendung, die trotz aller 3D-Animationen und Erklärstücke auch in der zurückliegenden Saison wieder hinter "RTL aktuell" landete.
Weil "heute" wie eine Mischung aus "Tagesschau" und der RTL-Konkurrenz wirkt, entsteht noch dazu der Eindruck, als wisse man selbst nicht so recht, wohin das Nachrichten-Flaggschiff gerade steuere. Zwar wurden Schritt für Schritt Veränderungen herbeigeführt. Allerdings ist fraglich, ob riesige Grafiken und eine bunte Rausschmeißer-Meldung am Ende tatsächlich die richtigen Schritte in die Zukunft bedeuten. Klarer geht das ZDF hingegen im Comedy-Bereich vor, den man in den vergangenen Monaten durch den Start von "Leute, Leute" mit Monika Gruber noch weiter ausgebaut hat, wenngleich das Format zwischen Doku und Lanz derzeit noch etwas verloren wirkt.
Dass es sich auszahlt, auf diese Farbe zu setzen, bekommt das ZDF allerdings in zunehmendem Maße zu spüren. Bestes Beispiel ist die "heute-show", die in den Wochen vor der Sommerpause so erfolgreich war wie nie. Selbst bei den jüngeren Zuschauern, die das ZDF sonst so schwer erreicht, hat sich die Nachrichten-Comedy inzwischen herumgesprochen und ist sogar für zweistellige Marktanteile gut. Hinzu kommt: Mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf hat man bei ZDFneo zwei der momentan angesagtesten Moderatoren im Programm - der Schritt ins Hauptprogramm, über den schon spekuliert wurde, wäre nur folgerichtig, auch wenn man bei ProSieben vermutlich etwas dagegen haben würde.
Im klassischen Show-Bereich fehlte es dem ZDF dagegen zuletzt an Ideen. Während im Doku-Bereich zumindest versucht wurde, Marken zu etablieren, wurden fast zeitgleich unzählige Quizshows mit Jörg Pilawa ins Programm genommen, die aber wahrscheinlich nur echte Kenner voneinander unterscheiden können. Bliebe noch "Wetten, dass..?". Doch auch wenn man mit Markus Lanz nach langer Suche endlich doch noch einen Moderator fand, bleiben Fragezeichen. Dass Thomas Gottschalk ab Herbst beim "Supertalent" urteilt, dürfte die Situation für das ZDF zumindest nicht erleichtern. Umso mehr überraschte es, dass der neue ZDF-Intendant Thomas Bellut bereits ein öffentliches Quoten-Ziel ausgegeben hat. "Wenn wir mehr als acht Millionen Zuschauer erreichen, ist das ein großer Erfolg", ließ er sich kürzlich zitieren.
Doch "Wetten, dass..?" ist längst nicht die einzige Baustelle, an der man beim ZDF in den kommenden Monaten arbeiten muss. Auch am Nachmittag klafft inzwischen eine riesige Lücke. Der mit großen Hoffnungen verbundene Neustart von "Wege zum Glück" machte die Sorgen auf dem Sendeplatz um 16:15 Uhr nur noch größer und war ein klares Signal der Zuschauer. Kaum vorstellbar, dass sich das ZDF auf absehbarer Zeit noch einmal an einer Telenovela probieren wird. Dass der Sender trotz allem im Mai überraschend Marktführer vor RTL war, sollte über so manches Problem im Programm nicht hinwegtäuschen - zumal der April mit nur 11,1 Prozent völlig desolat lief und damit offenbarte, wohin der Weg schlimmstenfalls führen könnte.
Von "Wetten, dass..?" über den Nachmittag bis hin zu den sich oft noch unter Wert schlagenden Informationsmarken: Momentan scheint es, als suche das ZDF an gleich mehreren Stellen seine Identität. Es liegt nun nicht zuletzt am neuen Programmdirektor Norbert Himmler, sie wiederzufinden. Dass er reichlich Mut zu Neuem hat, stellte er in der Vergangenheit bereits bei ZDFneo unter Beweis. Die Herausforderungen beim Hauptprogramm sind allerdings ohne Frage noch ein ordentliches Stück größer.