Dem noch jungen Fernsehjahr 2012 mangelt es wirklich nicht an spektakulären Personalmeldungen. Nur wenige Tage nach dem überraschenden Abgang Gerhard Zeilers bei der RTL Group gibt es auch bei der ProSiebenSat.1 Media AG mit dem Ausscheiden von Andreas Bartl, TV-Vorstand und Geschäftsführer ProSiebenSat.1 TV Deutschland, einen prominenten Abgang, der bis zum Sonntag zwar nicht bestätigt wurde und doch lässt sich zwischen den Zeilen erahnen, dass es nur eine Formsache ist, die eine offizielle Bestätigung hinauszögert. Als DWDL.de am Freitagmorgen zuerst über das bevorstehende Ausscheiden Bartls berichtete, folgte aus Unterföhring noch prompt ein entschiedenes, klares Dementi. Doch am Nachmittag fielen die Reaktionen bei ProSiebenSat.1 schon zurückhaltender aus. "Manager Magazin" und "Süddeutsche Zeitung" griffen das Thema auf und ernteten in Unterföhring nur noch die Auskunft, dass es keinen Kommentar zum Thema gebe.

In dieser kurzen Zeit liest man bereits vermehrt, dass Anderas Bartl allein über die Schwäche von Sat.1 gestolpert sei. Doch ganz so einfach ist es nicht. Es würde einem leidenschaftlichen Fernsehmacher, der wie kaum einer die Geschichte des Privatfernsehens in Unterföhring der letzten knapp 20 Jahre miterlebt hat, nicht gerecht werden. Es gab wahrlich unglückliche Aussagen, sicher manche Fehlentscheidungen und missglückte Programmstrategien. Doch Bartl war durch und durch Programmmensch wie kaum noch jemand in seiner Liga. Jemand, dessen Freudenschreie nach den ersten Quoten von "The Voice of Germany" man sich ebenso gut bildlich vorstellen konnte, wie die Verzweiflung über die vielen Rückschläge bei Sat.1. Manche dieser Rückschläge und Fehler sind in der Branche so legendär, dass sie allein ganze Artikel füllen würden. Doch der Publikumserfolg der Sendergruppe ist nur die eine Seite der Medaille. Die, für die sich Andreas Bartl stets mehr interessiert hat.

Doch es gibt bei der Betrachtung von erfolgreichem Fernsehen auch einen anderen Betrachtungswinkel. Den des Thomas Ebeling. Wirtschaftlich entwickelte sich die ProSiebenSat.1 Media AG in den vergangenen Jahren beeindruckend. Vor zweieinhalb Jahren reichte ein Euro für eine Aktie des TV-Konzerns und heute liegt der Aktienkurs bei über 18 Euro. Dieser Erfolg war möglich, weil  Programmmensch Bartl und Vorstandsvorsitzender Ebeling trotz manchmal unterschiedlicher Auffassungen generell die gleiche Richtung verfolgten: Den TV-Konzern finanziell zu sanieren. Das galt erst recht, als Verkaufsabsichten von KKR und Permira bekannt worden. Die Braut wurde aufgehübscht: Kosten runter, Gewinne rauf. Doch dann passierte das, was Andreas Bartl letztlich zum Verhängnis wurde.

Die Ausgaben für Programminvestitionen wurden weiter nach unten geschraubt. Wer Bartl kennt, weiß, dass er das nicht aus Überzeugung getan hat. Aber es hätte einem Investor gefallen können, der weniger vorbelastete Budgets, mehr Gestaltungsspielraum und mehr Gewinn vorgefunden hätte. Nur es kam kein Investor. Es wurden keine Verkaufsgespräche geführt. Warten auf Godot in Unterföhring. Das Dilemma war damit perfekt: Die Produktionsvorläufe im Fernsehen lassen kein schnelles Schalter-Umlegen zu. Gerade noch bremste man alle Entwicklungen und Produktionen und plötzlich wieder Vollgas? Nein, eher langsame Beschleunigung mit angezogener Handbremse. Denn noch immer steht ein möglicher Verkauf der ProSiebenSat.1 Media AG im Raum. Strategisch investiert wird deshalb kaum. Und so dominieren Mehrverfachverwertungen das Programm und ein Leuchtturm wie "The Voice of Germany" lenkt von zahlreichen gestrichenen Projekten ab.

Wenn Andreas Bartl seinen Ende des Jahres auslaufenden Vertrag nicht verlängert bekommt und den Fernsehkonzern verlässt, so wie es sich abzeichnet, dann ist die Schwäche von Sat.1 die zunächst naheliegende Begründung. Doch dahinter steckt die eigentlich viel tragischere Erkenntnis: Andreas Bartl hat seinen Job lange gut gemacht. Doch als er mit der aufgehübschten Sendergruppe in der Hand da stand und auf die Übergabe wartete, da kam kein Godot, pardon, Investor. Ohne ein klares Bekenntnis zu massiven Investitionen waren Bartl danach die Hände gebunden und was das zuletzt im Programm bedeutete, wurde oft genug beschrieben. Dazu kommt, dass Thomas Ebeling längst selbst Interesse am Programm gewonnen hat und sich schon länger einmischte. Bartls Abgang ist damit auch ein persönlicher Befreiungsschlag und vielleicht ein Stück weit weniger der inzwischen durch Presseberichte suggerierte Rauswurf. Er wartet nicht mehr auf Godot und verlässt das absurde Theater.