Soll man den großen Trend der im Herbst gestarteten TV-Saison 2011/2012 in den USA benennen, dann ist das ganz klar der Trend zur Sitcom. Ein erstes Ausrufezeichen setzte dabei gleich zum Start "Two and a half Men". Nicht wenige hielten es für keine gute Idee, die Serie nach dem Rauswurf von Charlie Sheen fortzusetzen, Ashton Kutcher galt als regelrechter Anti-Sheen gar für eine glatte Fehlbesetzung. Doch allen Unkenrufen zum Trotz: Dem Publikum scheint's zu gefallen.

Fast 29 Millionen Zuschauer sahen die erste Folge mit Ashton Kutcher. Das war natürlich dem Neugier-Effekt nach der Schlammschlacht zwischen Sheen und den Produzenten zu verdanken. Doch selbst als dieser nachließ muss man mit einem nüchternen Blick auf die Zahlen festhalten: "Two and a half Men" ist im Jahr 1 nach Sheen erfolgreicher als zuletzt mit ihm. Im Schnitt liegt der Marktanteil in der Zielgruppe bislang rund 38 Prozent höher als im vergangenen Jahr, wobei hier natürlich der fulminante Auftakt den Schnitt noch nach oben zieht. Doch Fakt ist auch: Der bislang schwächste Wert dieser Staffel, die inzwischen elf Folgen umfasst, hätte immer noch zu den drei besten der vorangegangen Staffel gehört. Und der Abwärtstrend ist längst gestoppt, inzwischen hat sich die Serie auf einem deutlich höheren Quoten-Niveau als noch im vergangenen Jahr stabilisiert.

Und "Two and a half Men" bildet dabei keineswegs eine Ausnahme im US-Fernsehmarkt, auch etliche andere etablierte Sitcoms verzeichneten in den letzten Monaten deutlich steigende Quoten. "How I met your Mother" liegt in der Zielgruppe rund ein Drittel über dem Vorjahreswert. Die durchschnittliche Zuschauerzahl zog von 8,6 auf 10,4 Millionen an. "The Big Bang Theory" erreicht nun im Schnitt 14,8 Millionen Zuschauer und legte in der Zielgruppe ebenso wie "Mike & Molly" um rund ein Viertel zu, "Modern Family" und "The Middle" liegen über 20 Prozent über dem Durchschnitt der vorangegangenen Staffel.

Auch bei den Neustarts dieser Saison lässt sich dieser Trend beobachten: Während sich die neuen Dramaserien meist allenfalls mittelmäßig schlagen, sind unter den Sitcoms gleich vier echte Erfolge zu verzeichnen. Allen voran sind hier "2 Broke Girls" von CBS und "New Girl" von FOX zu nennen. Erstere handelt von zwei jungen Frauen, die pleite sind und versuchen, in New York trotzdem ihre Träume zu verwirklichen. Die Serie schafft es dabei regelmäßig, die Quoten des vorausgehenden "How I met your Mother" noch zu übertrumpfen. In "New Girl" zieht Zooey Deschanel als neue Mitbewohnerin in eine Männer-WG. Die Serie läuft im Anschluss an "Glee" - und ist ebenfalls deutlich erfolgreicher als ihr Vorprogramm. Dazu kommen noch die beiden ABC-Erfolge "Last Man Standing" mit Tim Allen und "Suburgatory", in der ein alleinerziehender Vater mit seiner 15-jährigen Tochter von New York in eine vermeintlich idyllische Vorstadt zieht, nachdem er eine Packung Kondome bei ihr gefunden hat. Hinter der idyllischen Fassade verbirgt sich aber die Schickimicki-Vorort-Hölle.

Diesen unerwartet starken Comedy-Boom in den USA dürfte man hierzulande vor allem in Unterföhring mit Freude sehen. ProSieben, das seine US-Sitcoms ebenfalls lange Jahre am Wochenende im Nachmittagsprogramm versteckt hatte, schaltete im Herbst 2009 am schnellsten und baute mit den "Simpsons"  und "Two and a half Men" einen US-Sitcom-Abend auf. Angesichts der Erfolge nimmt diese Programmfarbe längst immer mehr Platz im ProSieben-Programm ein. Dienstags findet - zumindest wenn nicht gerade "Stromberg" läuft - in der Regel "The Big Bang Theory" seinen Platz, mittwochs hat sich mittlerweile "How I Met your Mother" etabliert. Und mit der zusätzlichen Übernahme des Neustarts "New Girl" schon Anfang 2012 wird man künftig auch mittwochs zwei Stunden schon ab 21:15 Uhr mit Sitcoms bespielen. Über Nachschub-Probleme im Sitcom-Bereich braucht man sich bei ProSieben dank der Erfolge in den USA in jedem Fall erstmal keine Sorgen zu machen. Angesichts des Aufschwungs dürfte dort die Entwicklungsarbeit in diesem Genre sogar eher noch zunehmen.

Um so ernüchterter dürfte man hingegen in Köln in Richtung USA blicken. Bei RTL und Vox wird im US-Serienbereich - wenn auch abwechselnd - an jedem Wochentag ermittelt, was das Zeug hält. Und das bislang ja auch durchaus mit Erfolg. Doch diese Monokultur auf gleich zwei im Serienbereich sehr ähnlich positionierten Sendern droht sich langsam zu rächen, falls es nicht gelingt, die Sender stärker für neue Serien-Farben zu öffnen. So geht "Dr. House" seinem Ende entgegen, einen richtig erfolgreichen Nachfolger, der "Monk" dauerhaft ersetzen könnte, hat man bislang nicht gefunden, "Law & Order" und "Criminal Intent" sind in den USA schon Geschichte, "Lie to me" ebenfalls - und die "CSI"-Serien haben nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA ihren Zenit ebenfalls schon überschritten  Man muss sich mit dem Gedanken befassen, dass zumindest eine der drei Serien womöglich nicht verlängert wird. Doch wirklich erfolgversprechender Nachschub? Nun, die Aussichten sind zumindest eher verhalten.

Der derzeitige Trend zu Sitcoms findet sich im Programm der beiden großen RTL-Sender hingegen gar nicht wieder, auch nicht im Tagesprogramm oder am Wochenende, wo kabel eins und ProSieben ihre jetzt in der Primetime erfolgreichen Serien aufgebaut hatten. Dabei hat RTL-Chefin Anke Schäferkordt schon bei der Vorstellung des Programms für die vergangene Saison einen Trend zu "Humor und Leichtigkeit" ausgemacht und das Comeback der Sitcoms prophezeit. Die Entwicklung von Eigenproduktionen, mit denen man früher in diesem Bereich richtig erfolgreich war - man erinnere sich nur an "Nikola", "Alles Atze" oder "Ritas Welt" - läuft auch tatsächlich, mit "Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5" ist auch eine neue Sitcom längst angekündigt. Allein: Es fehlt bislang schlicht ein eingeführter Sendeplatz, auf dem so etwas laufen könnte.

Dabei hat die RTL-Gruppe sogar ein Juwel bislang ungesendet im Archiv liegen: "Modern Family", in diesem Jahr immerhin der große Abräumer bei den Emmy-Awards und nach "Two and a half Men" die in der Zielgruppe zweiterfolgreichste Serie in den USA. Bei ABC läuft mittlerweile die dritte Staffel, es läge also längst genug Material vor, um die Serie Mockumentary-Stil nach Deutschland zu bringen. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch diese Serie wie "Glee" bei Super RTL laufen wird. Dort dürfte man sich darüber freuen. Doch ein großes Publikum wird sie dort kaum finden - was letztlich eine vertane Chance für die größeren Sender der RTL-Gruppe wäre, das Genre für sich wiederzuentdecken.