Blickt man rein auf das derzeitige Programm des Ersten, dann könnte der Verdacht aufkommen, es habe sich in den letzten Monaten gar nicht so viel getan. Den Vorabend überbrückt man noch immer mit Doppelfolgen des quotenschwachen "Duells im Ersten", im Show-Bereich hat man vor allem alten Pilawa-Formaten neue Moderatoren zugeordnet und wirklich innovative Neustarts waren Mangelware. Doch damit würde man dem, was sich in der zurückliegenden Saison bei der ARD getan hat, keinesfalls gerecht.

Denn das, was die ARD da in den vergangenen Monaten beschlossen hat, ist eine so umfassende Programmreform, dass es schon verwunderlich ist, dass sich die neun Landesrundfunkanstalten mit jeweils eigener Meinung und eigenen Interessen tatsächlich darauf einigen konnten. So gelang es, mit Jauch einen fünften Polittalk zu integrieren, den viele Jahre gehegten und immer wieder vertagten Plan umzusetzen, den "Tagesthemen" unter der Woche eine einheitliche Sendezeit zu verschaffen, "Hart aber fair" in der Primetime zu halten und trotzdem noch alle Politmagazin-, Doku-, Film- und Serien-Redaktionen von einer Meuterei abzuhalten.

 

 

Doch was diese Einigung wert ist, wird sich erst im Herbst zeigen. Denn finden sich wirklich genügend Zuschauer für allein in der ARD dann fünf Polittalks - sonntags Jauch, montags Plasberg, dienstags Maischberger, mittwochs Will und donnerstags Beckmann? Ist am Samstagabend wirklich Platz für eine Comedy-Schiene mit Ina Müller und Kurt Krömer? Nimmt das Publikum die neuen Sendeplätze für die Politmagazine, die dann dienstags statt montags laufen und "Pluminus", das sich dann mittwochs statt dienstags wiederfindet, an? Es ist ein großes Experiment mit ungewissem Ausgang - und sollten die Quoten mau sein, ist angesichts der zahlreichen Gremien-Mitglieder und Bedenkenträger eine öffentliche Diskussion schon sicher.

Ungewiss ist auch, wie die dringend nötige Umgestaltung des Vorabends beim Publikum ankommen wird. In erstaunlicher Kurzsichtigkeit ließ die ARD nämlich, obwohl sie schon seit Ende 2009 vom Abschied Pilawas wusste und die Quotenprobleme der Quiz-Schiene bereits noch früher bekannt waren, die Entwicklung einer neuen Strategie allzu lange schleifen. Die gesamte letzte TV-Saison über hangelte man sich mit der Verlegenheitslösung, Doppelfolgen der quotenschwachen Quizshow "Das Duell" zu zeigen, über die Zeit. Immerhin gibt es nun eine Idee: Regionale Krimis mit humorvoller Note sollen die Quotenprobleme lösen, weil das "Großstadtrevier" ja mit ähnlichem Konzept ja montags bereits gut läuft. Die ersten werden gerade produziert.

Sollten sie nicht wie erhofft einschlagen, steht angesichts der langen Vorlaufzeit für fiktionale Projekte aber wohl nicht so schnell Ersatz parat - die ARD ist also auf einen Erfolg angewiesen, um die Quoten-Talfahrt zu stoppen. Denn auch in der zurückliegenden TV-Saison setzte sich der kontinuierliche Quoten-Rückgang weiterhin fort - und das längst nicht nur bei den jüngeren Zuschauern. Die Marktführung hat Das Erste inzwischen deutlich an RTL verloren, man muss schon bis in den noch fußball-geprägten August 2010 zurückgehen, um den letzten Monat zu finden, in dem Das Erste vorn lag. In sieben von neun Monaten der letzten TV-Saison holte Das Erste einen niedrigeren Marktanteil als im Vorjahresmonat.

Doch trotz dieser Quoten-Probleme: Den Abgang des jahrelang prägenden Moderators Jörg Pilawa hat Das Erste alles in allem deutlich besser verkraftet als erwartet - und steht nun so breit aufgestellt da wie lange nicht. Kai Pflaume, zuletzt bei Sat.1 etwas ins Abseits geraten, hat nicht nur das "Star Quiz" übernommen, sondern auch eine ganze Reihe weitere Formate in Aussicht. Daneben gibt es mit Eckart von Hirschhausen, Ranga Yogeshwar, Sven Lorig und Frank Plasberg inzwischen eine ganze Reihe weiterer Moderatoren für Primetime-Shows.

Nun hat man sich mit Matthias Opdenhövel zudem nicht nur ein weiteres Gesicht für die "Sportschau" gesichert, sondern damit auch noch einen der fähigsten Live-Moderatoren des Landes. Bleibt zu hoffen, dass man ihm für 2012 wie angekündigt auch ein gutes eigenes Show-Format auf den Leib schneidert. Mit Dieter Nuhr hat man sich im Kabarett-Bereich verstärkt - und dann ist da mit Günther Jauch natürlich auch noch der derzeit beliebteste Moderator des Landes, der künftig im Ersten talkt. Angesichts dieses Personal-Tableaus wird man einen Wechsler wie Harald Schmidt wohl kaum vermissen. Und doch wirft die Personal-Politik der ARD Fragen auf: Warum setzt man nicht mehr auf Talente aus den eigenen Reihen? Warum ließ man einen Mann wie Steffen Hallaschka, den die ARD in den Dritten oder beim "Ratgeber: Technik" versauern ließ, zu RTL ziehen? Warum nutzt man die Dritten nicht mehr zu Experimenten, sowohl inhaltlich als auch im personellen Bereich?

Sollte man zum Abschluss eine Überschrift für die zurückliegende TV-Saison finden, dann wäre es wohl am Ehesten: "Die Saison des Übergangs". Die ARD hat vieles angeschoben. Ob nach dem Übergang aber bessere Zeiten folgen, steht noch in den Sternen.