Herr Scolik, Sie waren lange beim ORF, sind seit rund einem Jahr in Deutschland und Fernsehchef des BR. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus? Haben Sie sich schon eingelebt?
Das erste Jahr war für mich spannend und herausfordernd, weil ich natürlich viele Dinge neu kennenlernen musste. Der Bayerische Rundfunk (BR) ist nicht grundsätzlich anders als der ORF. Aber der BR und die ARD zusammen sind schon eine spannende Herausforderung.
Was war anders, als Sie es sich vorgestellt haben?
Ganz wenig, aber die Zahl der Sitzungen in der ARD und im BR zusammen ist höher, als ich mir das vorgestellt habe. Und dabei war ich vom ORF schon einiges gewohnt. Aber das ist auch schon die einzige Überraschung.
Haben Sie kulturelle Unterschiede ausmachen können?
In Bayern sind die Bedeutung und das Selbstbewusstsein der einzelnen Regionen groß und ein wichtiger Faktor in der Programmgestaltung.
Seit dem 11. April 2016 greift das neue Programmschema des BR. Wie zufrieden sind Sie damit?
Die Reform hat sich bewährt, wir haben einen gut funktionierenden Vorabend. Ganz besonders stolz sind wir auf die Sendeleiste um 19 Uhr. Die Magazine mit Gesundheits-, Garten-, aber auch Religionsthemen sind eine Spezialität des BR Fernsehens.
Seit dem vergangenen Jahr zeigt der BR auch die "Tagesschau" um 20 Uhr, darauf hat der Sender ja lange verzichtet. Wie zufrieden sind Sie damit?
Wir sind damit zufrieden, und auch die "Tagesschau" selbst profitiert. Denn die Sendung, die im Ersten ohnehin viel gesehen wird, bekommt nun noch einmal rund zehn Prozent Marktanteil durch das BR Fernsehen dazu. Das macht die "Tagesschau" stark, und gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Demokratie auf dem Prüfstand steht, ist eine tägliche Qualitäts-Nachrichtensendung mit einem so hohen Zuschauerzuspruch ein wichtiges Anliegen für uns als öffentlich-rechtlicher Sender. Und uns gibt es die Möglichkeit, in unserer eigenen Nachrichtensendung im BR, der "Rundschau", den Schwerpunkt noch mehr auf Bayern-Themen zu legen.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial im Programm?
Den sehe ich am späten Abend ab 22 Uhr. Da haben wir noch Inhalte, die wir etwas geschickter und besser positionieren können, um noch erfolgreicher zu sein.
Können Sie das etwas konkreter machen?
Wir haben zum Beispiel ein Wissenschaftsmagazin und eine Dokumentarfilm-Leiste. Eine Frage, die wir uns regelmäßig für das gesamte Programmschema stellen, lautet auch hier: Ist es für die Inhalte, die wir dort anbieten, die richtige Abfolge und auch der richtige Sendeplatz?
Die Doku-Leiste des BR wurde inzwischen stark ausgedünnt, von früher drei Sendeplätzen für Tierfilme ist nur noch einer übrig. Im Zuge dessen haben sich die beiden Tierfilmer Ernst Arendt und Hans Schweiger über den Umgang des BR mit ihnen beklagt. Können Sie den Ärger der Tierfilmer verstehen?
Wie bereits mehrfach erläutert, war der BR mit der Arbeit der Produzenten zufrieden. Filme, die von uns beauftragt waren, haben wir auch übernommen. Gleichzeitig muss der BR massiv sparen – in Verwaltung und Produktion, aber leider auch im Programm, denn wir haben nicht mehr Geld zur Verfügung, sondern weniger. Daher können wir uns nicht alle Produktionen leisten, die wir bisher hatten. Das betraf in dem konkreten Fall auch die beiden Produzenten.
Warum muss der BR eigentlich so viel mehr sparen als die anderen Dritten der ARD?
Durch die Umstellung von der Rundfunkgebühr auf die Haushaltsabgabe haben sich seit 2013 innerhalb der ARD signifikante Verschiebungen bei der Finanzkraft ergeben. Der BR ist in punkto Einnahmeentwicklung das Schlusslicht unter den ARD-Anstalten und muss sich in der Folge stärker einschränken als andere. Profitiert haben vor allem die Landesrundfunkanstalten, deren Publikum in der Vergangenheit weniger brav Gebühren gezahlt hat. Dort, wo es traditionell besonders wenige "Schwarzseher" gab und das Teilnehmerpotenzial bereits vor der Umstellung weitgehend ausgeschöpft war, gibt es keine großen Mehreinnahmen. Das ist in Bayern der Fall.
Und wäre es Ihnen lieber gewesen, die Teilnehmer hätten das vorher nicht gemacht? Dann würden Sie jetzt nicht vor so großen Herausforderungen stehen.
(lacht) Dann hätten wir jetzt in Relation zwar mehr dazugewonnen, hätten aber vorher weniger gehabt.
Wie sehen Sie die Rolle des BR innerhalb der ARD?
Die Bayern sind traditionell sehr selbstbewusst und eigenständig. Wir bringen unsere eigenen Vorstellungen ein, die aber mit dem, was sich die ARD und Das Erste wünschen, sehr kompatibel sind – wir kommen gut zusammen.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir versuchen, das Bestmögliche aus den reduzierten Finanzmitteln herauszuholen. Es wird uns auch weiterhin gelingen, ein starkes Programm zu machen. Aber natürlich müssen wir uns Sparkonzepte überlegen und unsere Strukturen verschlanken. Auch durch eine neue Organisationsform. Wir müssen versuchen, mehr Content zu erzeugen – mehr Content für neue Ausspielwege. Es geht nicht um die Herausforderung, Fernsehen und Radio mit Programm auszustatten, sondern die Inhalte, die wir haben, weiterhin in dieser Vielfalt zu produzieren und auf neue Ausspielwege zu bringen. Das heißt, wir haben auf der einen Seite mehr Programmproduktion für mehr Ausspielwege und gleichzeitig weniger finanzielle Mittel. Da müssen wir eine Balance finden, die nach Möglichkeit alle Interessen berücksichtigt.
Mehr Programm für mehr Ausspielwege bei weniger Budget. Hört sich kompliziert an.
Das ist in der Tat ein Spagat. Wichtige Voraussetzung sind hier neue, klare Organisationsstrukturen, um durch Synergien einen Teil des Aufwands abzufedern. Der BR stellt sich in seinen Programmbereichen gerade trimedial, also medienübergreifend auf. Ein Beispiel: Ich bin Fernsehdirektor, aber in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Religion auch für Radio- und Onlineangebote zuständig. Ein ganzes Radioprogramm – unsere Volks- und Blasmusikwelle BR Heimat – gehört ebenfalls zur Fernsehdirektion.
Das sind dann eher Veränderungen, die die Zuschauer gar nicht mitbekommen. Wo bekommen sie die Sparmaßnahmen zu sehen? Mal abgesehen von den bereits durchgeführten Änderungen im Programm.
Wir brauchen weiterhin ein zufriedenes Publikum und dafür auch neue Inhalte, die das Publikum interessieren. Dass wir uns mehr Serien und neue Sendungen wünschen, ist klar, doch hier gibt es, wenn uns die nötigen Mittel nicht zugestanden werden, einfach gewisse Grenzen.
Und wo merken die Zuschauer die Sparmaßnahmen im Programm?
Hoffentlich merken sie es gar nicht.