Herr Pflüger, neun Monate im Amt als Sat.1-Geschäftsführer. Was waren ihre größten Herausforderungen bisher?
Sat.1 hat viele starke, funktionierende Marken im Programm, aber natürlich gibt es trotzdem immer etwas zu tun. Mein großes Augenmerk liegt auf dem Vorabend, weil hier einfach ein starker Hebel für Wachstum liegt. Das sehen wir gerade auf dem 18:00-Uhr-Sendeplatz mit „Auf Streife – Die Spezialisten“, die dort seit ein paar Monaten super funktionieren und diesen Slot spürbar stabilisieren auf einem Niveau, das wir zuletzt vor sieben Jahren hatten. Das macht sich im Tagesmarktanteil bemerkbar. Deswegen konzentrieren wir uns jetzt auf den 19:00-Uhr-Sendeplatz.
Spielt eine Vorabendserie eigentlich nach dem Flop vom „Mila“ noch eine Rolle in Ihren Planungen?
Eine gut funktionierende tägliche Vorabendserie ist der Jackpot für jeden Fernsehmacher. Natürlich arbeiten wir hier weiter an Ideen und sind in Gesprächen mit vielen Produzenten, aber Serien-Entwicklung dauert eben seine Zeit. Parallel arbeiten wir deswegen mit Hochdruck auch an anderen Genres, die wir am Vorabend ausprobieren wollen.
Mit welchem Vorabendprogramm wollen Sie denn in die neue TV-Saison gehen?
„Auf Streife – Die Spezialisten“ funktionieren um 18:00 Uhr sehr gut und wir haben seit Anfang Mai mit „Fahndung Deutschland“ um 19:00 Uhr unseren tagesaktuellen Kriminal-Report. Mit den Quoten sind wir zwar noch nicht ganz da, wo wir gerne wären. Deswegen heißt es hier: täglich daran arbeiten und optimieren. Wir haben mit „Die Ruhrpott-Wache“ eine neue Scripted-Doku in Produktion, die wie schon „Auf Streife“ ein neues Level an Authentizität erreicht, weil wir inzwischen echte Experten fiktive Situationen meistern lassen, was vom Publikum honoriert wird. Aber wir wollen am Vorabend auch Genre-Vielfalt testen und haben mit „Kampf der Köche“ ein Format, in dem Hobbyköche auf Profiköche treffen. Light Entertainment mit einem Look, der sich nach Prime Time anfühlt. Die Farbe passt super zu Sat.1 und Alexander Herrmann ist eine echte Entdeckung als Show-Moderator.
Und mit der Ausstrahlung warten Sie dann bis „Das perfekte Dinner“ bei Vox schwach genug ist?
(lacht) Uns liegen bereits Folgen vor und wir werden sehen, wann wir sie einsetzen.
Stichwort Light Entertainment: Es kehren in den kommenden Monaten diverse bekannte TV-Formate in einer neuen Version zurück. Gameshows, aber auch „Herzblatt“ bei ihrem kleinen Schwestersender Sat.1 Gold. Ist Retro auch ein Thema für Sat.1?
Die klare Antwort ist: Nein. Wir haben ja einiges ausprobiert im vergangenen Jahr. Aber mit der Erinnerung des Publikums in Konkurrenz zu treten, geht oft nicht gut und erreicht auch nicht ausreichend viele Menschen. Wir wollen lieber die kontinuierlich gepflegten Genres stärken und darauf aufbauen.
Sie meinen die deutsche Fiction?
Mir war sehr schnell nach meinem Antritt als Sat.1-Senderchef wichtig, den Dienstag als Tag für die deutsche Fiction, vor allem für die deutschen Movies, zu stärken. Das ist und bleibt durch alle Veränderungen hindurch ein Herzstück des Sat.1-Programms. Hier war ein Entwicklungsschub nötig. Da es ein Genre mit enorm langem Vorlauf ist, lässt sich das nicht bei Antritt von jetzt auf gleich umsetzen, aber einleiten. Jetzt starten wir im Herbst mit deutlich mehr Erstausstrahlungen wie „Gefangen im Paradies“ mit Anna Loos, Stephan Luca und Valerie Niehaus in „Verdammt verliebt auf Malle“ oder Friederike Kempter, Tom Beck und Axel Stein in „Dating Alarm.“ Mit einer Neuinterpretation von „Jack the Ripper“ – hier produziert Matthias Schweighöfer zum ersten Mal fürs Fernsehen – und „Die Ketzerbraut“ vom Team der „Wanderhure“ haben wir auch zwei aufwändige, historische TV-Events in Vorbereitung. Insgesamt werden wir in der neuen Season über 20 neue TV-Movies zeigen.
Wie es sieht beim Nachschub aus dem Ausland aus?
Wir freuen uns sehr auf den US-Hit „Blindspot“ im Herbst am Donnerstagabend, wir werden am Sonntagabend die Serien-Fassung zum Blockbuster „Rush Hour“ zeigen und haben mit „Crime Scene Nizza“ einen französischen Serien-Hit für den Montag eingeplant. Mit „Criminal Minds – Beyond Borders“ gibt es dann auch noch das lang ersehnte Spin-off zu unserem Crime-Hit.
Vorabend, Dienstagabend. Sind das die wichtigsten Ansatzpunkte, um die Performance von Sat.1 insgesamt zu verbessern?
Ja. Aber auch auf dem Mittwoch liegt ein ganz besonderes Augenmerk, weil ich hier mit einer sehr viel größeren Kontinuität ein klares Sat.1-Versprechen abgeben möchte. Der Mittwoch ist unser Tag für Factual Entertainment und Reality. Da haben wir immer schon einzelne Programme gezeigt, aber ab Herbst soll dieser Sendeplatz durchgehend etabliert werden und nächstes Jahr wird „Seven Year Switch“ ein Highlight am Mittwochabend.
Können Sie zu dem Format mehr sagen?
„Seven Year Switch“ ist ein Sozialexperiment, das – wie „Hochzeit auf den ersten Blick“ – ein sehr gängiges Problem thematisiert und aufbereitet. Hier geht es nicht darum, Menschen zu helfen, die auf der Suche nach einem Partner sind, sondern jenen, die einen Partner haben, aber unglücklich sind. Ein Partnertausch auf Zeit. Das klingt wie schon bei „Hochzeit auf den ersten Blick“ zunächst nach einem lauten Format, ist aber sehr gefühlvoll umgesetzt. Ehepaare tauschen für zwei Wochen ihre Partner. Eine behutsame Paartherapie, die im Frühjahr 2017 bei uns laufen wird.
Wenn Sat.1 Reality-Formate macht. Worauf kommt es Ihnen dabei an?
Reality in Sat.1 heißt, dass wir ungewöhnliche, neue Wege gehen, um Themen und Probleme zu zeigen, die unser Publikum im Alltag beschäftigen. Beziehung, Erziehung, Job, Geld. Das erzählen wir entweder mit abgeschlossenen Geschichten pro Folge – wie eine Zeitlang bei Coaching-Formaten üblich – oder eben seriell. Wir starten im Juli am Sonntagvorabend mit „Liebe leicht gemacht“, später im Jahr kommt dann auch wieder „Julia Leischik sucht: Bitte melde dich!“ auf diesem für uns sehr wichtigen Sendeplatz. Im Frühjahr folgt mit „Marry me now“ ein weiteres internationales Erfolgsformat, auch hier geht es um Beziehung und – wie der Titel schon verrät – ums Heiraten.
"Wir sind große Fans eines Happy Ends"
Sie sprachen eben vom klaren Sat.1-Versprechen. Können Sie mir bitte mal erklären, wofür der Sender steht? Wie charakterisieren Sie Sat.1?
Sat.1 ist natürlich in erster Linie ein Familiensender. Die Herausforderung dabei ist, dass das bei Journalisten und Produzenten oftmals verwechselt wird mit dem Eindruck, wir wären ein Kuschelsender. Wir sind aber mehr als nettes Wohlfühlfernsehen. Sat.1 ist ein großer Unterhaltungssender für die ganze Familie und dazu gehören auch laute Formate, Relevanz, Innovation und etablierte Marken. Unsere Handschrift dabei: Wir machen Fernsehen für alle.
Das klingt noch sehr unverbindlich.
Was uns abhebt und unterscheidet von der Konkurrenz, ist, dass wir grundsätzlich immer ein bisschen emotionaler und wärmer sind. Wir wollen auf Augenhöhe sein mit den Protagonisten, respektvoll umgehen miteinander und egal ob in der Fiction oder Reality: Wir sind große Fans eines Happy Ends.