Wenn Journalisten Film & Fernsehen romantisieren wollen, ist ja gerne mal von der Traumfabrik die Rede. Steht man auf dem Parkplatz zwischen den Hallen der MMC in Köln-Ossendorf, dann versteht man die Herkunft dieser Wortschöpfung ganz gut. Hier ist Fernsehen mehr Fabrik als Traum. Oder besser gesagt: Grundsolides Handwerk. Der Konferenzraum im 2. Obergeschoß des Produktionsbüros von „Alles was zählt“ bietet auch wenig von dem Glamour einer Traumfabrik - dafür aber zwei Herren, die als Führungsduo ihr Antritts-Interview geben. Mit der kürzlich kommunizierten Neustrukturierung der Führungsebenen innerhalb der UFA-Gruppe wird Joachim Kosack, weiterhin Geschäftsführer von UFA Fiction, künftig parallel auch als Co-Geschäftsführer der UFA Serial Drama zusammen mit Rainer Wemcken auch dort die Geschicke leiten und Träume fabrizieren.
Herr Wemcken, Herr Kosack - sie führen die UFA Serial Drama künftig als Duo. Gibt es ein prominentes Film- oder Serienpaar, das Sie Beide beschreiben würde?
Rainer Wemcken: Ich möchte uns nicht mit einem prominenten Serienpaar vergleichen, wir stehen ja gerade mal am Anfang unserer gemeinsamen Aufgabe, auch wenn wir uns schon seit fast 20 Jahren kennen.
Joachim Kosack: Wenn ich uns körperlich anschaue wie „Pat und Patachon“ (lacht).
Wie muss man sich die Aufgabenteilung vorstellen?
Rainer Wemcken: Zunächst freue ich mich, dass mit Joachim Kosack ein kreativer Geschäftsführer an meiner Seite ist. Ich denke nicht so sehr an Abgrenzung und Aufgabenteilung, sondern mehr an Ergänzung und daran, wie wir uns gemeinsam den Herausforderungen des Marktes stellen können.
Die UFA Fiction ist in der Gruppe zuständig für Prestige-Projekte. Was macht dann UFA Serial Drama?
Joachim Kosack: Beide Firmen bilden zusammen ein Portfolio ab, das alle fiktionalen Erzählformen bedient. Die UFA Serial Drama vor allem langlaufende Serien…
Rainer Wemcken: …die ein wesentlicher Bestandteil des Unternehmens UFA sind und gehegt und gepflegt werden müssen. Wir bedienen mit Daily- und Weeklyproduktionen einen anderen Sektor als die Kollegen von UFA Fiction, der aber auf ebenso hohem Level koordiniert und produziert werden will.
Joachim Kosack: Wir tendieren dazu vor lauter Begeisterung für herausragende Einzelstücke und Miniserien zu vergessen, dass das serielle Erzählen eine lange Tradition hat. Hier blickt UFA Serial Drama auf eine unvergleichliche Erfahrung zurück. Wir brauchen sowohl als auch.
Prestige allein zahlt keine Rechnungen?
Joachim Kosack: Dieselbe Diskussion gibt es auch bei uns in der UFA Fiction, für die ich auch weiterhin als Geschäftsführer fungiere. Die Kollegen liefern mit den „SOKOs“ oder „Ein starkes Team“ auch geliebte Serien und Reihen, die jetzt nicht alle paar Monate ein Festival oder einen Grimme-Preis gewinnen. Es gibt auch andere Formen des Erfolgs: Gerade in Zeiten, in denen die Serie endlich als Königsdisziplin angesehen wird, feiern wir mit „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ im nächsten Jahr 25. Geburtstag.
Und warum lässt trotzdem beinahe jeder, der über den Serienhype redet, in der Betrachtung die täglichen Serien außen vor?
Joachim Kosack: Das frage ich mich auch. Wenn ich höre, man habe endlich das horizontale Erzählen entdeckt und müsse mal Writers Rooms ausprobieren, weil die Amerikaner das so machen, kann ich nur sagen: Wir machen beides schon seit 25 Jahren und halten die Spannung und die Figuren über tausende Folgen aufrecht. Wir beherrschen unser Handwerk in Deutschland besser als es dargestellt wird.
Rainer Wemcken: Die jüngere Diskussion über Serien kommt ja hauptsächlich durch amerikanische Serien, die meist Nischenprodukte sind. Das sind wir ja nun bei der UFA Serial Drama überhaupt nicht. Das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Zielgruppen. Ich schaue selbst auch gerne „Homeland“, aber die Serie begleitet mich nicht im täglichen Leben. Will sie auch gar nicht. Wir wollen aber genau das. Serien wie „Homeland“ liefern in einer Staffel 12 Folgen und dann ist erst einmal ein Jahr Pause.
Dann bleiben wir doch mal bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Was zeichnet die Serie aus?
Joachim Kosack: Diese Serie hat in all den Jahren schon mehrere Generationen geprägt - was eine große Leistung ist. Das steht nicht immer im Fokus der Betrachtung, aber es gibt nichts Tolleres als über mehrere Generationen eine Serie zu erzählen, Das ist eine Kunst. Wir spiegeln das Leben unserer Zuschauer, was auch eine große Verantwortung mit sich bringt.
Nun ja, die meisten Wendepunkte der Soaps sind doch schon deutlich überzeichnet oder nicht?
Joachim Kosack: Ich habe vor zwanzig Jahren ja schon mal an „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gearbeitet. Einer der erfolgreichsten Cliffhanger nach Quoten war eine ziemlich banale Situation: Ein junges Mädchen wird volljährig und über Wochen baut sich bei ihr die Erwartungshaltung auf, dass ihr Freund eine Überraschungsparty schmeißen wird. Doch ihr Freund vergisst den Geburtstag komplett. Vorfreude und Enttäuschung - naheliegend und jedem bekannt. Das Tolle ist wirklich, dass es die Universalität hat. Es ist ein Moment, den jeder Mensch nachvollziehen kann, wenn der eigene Partner den Geburtstag vergisst. Das ist für ein glaubhaft erzählte tägliche Serie so dramatisch und von Fans so viel diskutiert wie bei anderen Serien ein Attentat auf den amerikanischen Präsidenten.
Könnte man sagen: UFA Fiction generiert Zuschauer und UFA Serial Drama generiert Fans?
Joachim Kosack: Ich finde das eine wirklich sehr schöne Unterscheidung.
Rainer Wemcken: Das trifft es sehr gut. Wir haben die leidenschaftlichen Fans - wie ein Rockkonzert - und die Kollegen bei UFA Fiction vielleicht die Liebhaber - wie die klassische Musik. Nur eins haben wir gemeinsam: Wir wollen den Zuschauer unterhalten.
Joachim Kosack: Eigentlich schade, dass wir diese Trennungen bemühen müssen. Ist in anderen Bereichen aber ja auch noch so. Theater bedeutet für die einen nur das, was beim Berliner Theatertreffen aufgeführt wird. Andere verstehen darunter einen tollen Abend bei „König der Löwen“. Ich kenne beides. Ich habe Hochkultur inszeniert und ich habe Musicals inszeniert. Wir ziehen in Deutschland immer noch sehr strenge Trennlinien.
"Man hat vielleicht bei 'Mila' zu sehr den Wunsch gehabt, alles anders zu machen und noch erfolgreicher zu sein."
Rainer Wemcken
Sie sagten eben mal, dass Dailysoaps auch immer ein Spiegelbild des Lebens der Zuschauer sein. Wie konnte dann „Mila“ passieren? Das war unrealistisch und künstlich…
Rainer Wemcken: Es gibt natürlich vielfältige Analysen dazu. Bei uns im Haus wie auch beim Sender. Dazu gab es viele Gespräche. Die Grundvoraussetzung von „Mila“ war eine erfolgreiche Telenovela aus Argentinien, die auch schon in Spanien erfolgreich adaptiert wurde.
Muss man eine Telenovela aus dem Ausland adaptieren? Lässt sich den Sendern ein Erfolg im Ausland besser verkaufen als eine Eigenentwicklung?
Rainer Wemcken: Wir entwickeln natürlich gerne auch selbst. Aber in diesem Fall wollte Sat.1 ein success-proven Format haben. Bei “Alles was zählt“ wollte RTL dagegen etwas Eigenes statt auf eine Adaption zu setzen, die damals auch im Rennen war. Man hat vielleicht bei "Mila" zu sehr den Wunsch gehabt, alles anders zu machen und noch erfolgreicher zu sein.