Statt einzelner Angebote wie RTL Now, Vox Now und Co. setzt die Mediengruppe RTL Deutschland ab diesem Dienstag auf ein zentrales Video-Angebot im Netz: TV Now soll im Laufe des Tages online gehen. Über den Browser ist das werbefinanzierte Angebot in einer Grundvariante kostenlos. Die TV Now-Apps kosten hingegen 2,99 Euro im Monat und bieten neben Previews, längerem CatchUp und höherer Bildqualität auch Zugriff auf Sendungen aus dem RTL-Programmvermögen wie alle Staffeln von „Doctor’s Diary“, „Der Lehrer“ oder eine ganze Vielzahl von „Alarm für Cobra 11“-Staffeln. Die Strategie hinter der Neuausrichtung erklärt Marc Schröder, Geschäftsführer von RTL Interactive im Interview mit dem Medienmagazin DWDL.de.

Herr Schröder, sie starten mit TV Now ein neues Streaming-Angebot der Mediengruppe RTL Deutschland. Banale Einstiegsfrage: Warum?

Unsere sechs Now-Angebote haben seit dem Start von RTL Now im Jahr 2007 einen sehr großen Bekanntheitsgrad erreicht. Das haben ungestützte Umfragen bestätigt. Bei der Frage nach der Marke Now im Bereich von Internetangeboten haben 65 Prozent dies aus dem Stand mit RTL oder Vox verbunden. Es ging sogar so weit, dass einige andere Sender damit in Verbindung gebracht haben. Now ist zu unserer großen Freude zum Synonym für Mediathek geworden. Das stärken wir jetzt mit einem übergreifenden Angebot für all unsere großen Sendermarken.

Wollen Sie Netflix und Amazon Konkurrenz machen?

Natürlich stehen wir auch mit anderen Anbietern im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Mit TV Now stoßen wir aber in ein anderes Segment vor. TV Now ersetzt die bisherigen Now-Angebote und konzentriert unsere Präsenz. Das schafft für die kleineren Sendermarken noch einmal mehr Sichtbarkeit, weil sie nicht gesondert angesteuert werden müssen. Uns geht es dabei um die Kombination aus Live-Erlebnis und Fernsehen auf Abruf, bei dem wir nebenbei bemerkt für einen günstigeren Preis unser Angebot mit weit mehr eigenen Produktionen - wenn Sie so wollen unsere Originals - im Monat füllen als Wettbewerber.

Sie bieten eine kostenlose und kostenpflichtige Version an. Die verspricht u.a. „weniger Werbung“. Was bedeutet das?

Die Standard-Version als reines Catch-up TV für PC und Laptop ist kostenlos, da werbefinanziert. Die kostenpflichtige Version bietet für ein technisches Zugangsentgelt neben weniger Werbung auch exklusive Episoden vor TV-Ausstrahlung, Zugriff auf unser umfangreiches TV-Archiv, Livestream der sechs Sender, eine bessere Bildqualität und die Nutzung auf zusätzlichen Endgeräten. In puncto Werbung verzichten wir komplett auf In-Page-Werbung um den Video-Player herum sowie auf einige MidRoll-Slots.

Werbung im VoD ist schwierig. Gerade wenn sie automatisiert laufende Sendungen an beliebigen Stellen mit Spots unterbrechen.

Werbefinanziertes Video-on-Demand steckt noch in den Anfängen, wenn wir von einer in absoluten Zahlen mit dem TV vergleichbaren Refinanzierung sprechen. Bezogen auf die einzelne Nutzungsminute sieht das schon viel besser aus. Die zeitliche AdLoad im werbefinanzierten VoD ist zwar immer noch geringer als im linearen TV. Da wäre theoretisch noch Luft nach oben. Dabei müssen wir aber - wie bei allen werbefinanzierten Angeboten - die Nutzer im Blick behalten. Bislang konzentriert sich die Branche sehr auf die PreRoll-Spots, weil die dem Werbekunden zwischen der Nutzungsabsicht und dem Content maximale Aufmerksamkeit des Nutzers garantiert. Aber Sie können andererseits eine Stunde Fernsehen online nicht allein mit einem oder zwei PreRoll-Spots refinanzieren.

Warum gibt es in der kostenpflichtigen Version nur bessere SD-Qualität und kein HD? Wäre das nicht ein naheliegendes Feature gewesen?

Wir haben eine hervorragende SD-Qualität, die mit 3Mbit codiert ist und auch auf einem 50 Zoll-Fernseher noch echt gut aussieht. Natürlich ist auch der Weg für eine HD-Option in der Zukunft frei. Das muss jedoch Hand in Hand gehen mit unseren Aktivitäten auf dem Plattformmarkt, denn wir wollen auch dort wachsen. Die große Herausforderung in den letzten Jahren bestand darin, das Geschäftsmodell zu verändern. Früher mussten Sender für die analoge Verbreitung ihrer Programme viel Geld bezahlen und heute gibt es über Mehrwerte wie HD die Möglichkeit, die Erlösströme besser auszubalancieren. Das ist die lineare Seite der Gleichung. Mit TV Now kommen wir jetzt zur non-linearen Seite dieses Plattformmarktes. Wir wollen auch hier profitabel wachsen und signalisieren gleichzeitig unseren Plattformpartnern: Wir selbst verschenken den Zugang zu unseren Inhalten nicht. Wir freuen uns über den wachsenden Zuspruch von HD im Linearen und können uns vorstellen, das zu gegebenem Zeitpunkt auch non-linear bei TV Now anzubieten.

Mit welchen Apps starten Sie?

Wir starten mit Apps für Android und iOS, bieten auch AirPlay zum Start an. Die Chromecast-Funktion wird nachgeliefert. Eine App für Fire TV ist in Planung und es folgen weitere Android-basierte Apps. Wir freuen uns jetzt über den Start des Angebots, der übrigens noch eine Veränderung mit sich bringt: Die Integration fast aller bisher via Einzelabruf angebotenen Inhalte. Auch die von den Fans geliebte Möglichkeit „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ vorab bzw. nachträglich zu schauen, ist jetzt bei 2,99 Euro im Monat integriert. Damit bietet TV Now für einen günstigen Preis Inhalte vor der TV-Ausstrahlung, Live-Streams all unserer großen Sendermarken, CatchUp-TV und ein großes Archiv mit Serien und Formaten - in starker Bildqualität und mit deutlich weniger Werbung.

"Netflix und Amazon werden richtig Probleme bekommen, wenn sie dann doch irgendwann Werbung integrieren"

Welche Erwartungen haben Sie an TV Now?

So viele Nutzer wie möglich zu erreichen (lacht). Die Mindestvoraussetzung ist natürlich, dass sich die Aufwendungen für TV NOW refinanzieren. Aber auch jeder zahlende Kunde ist ein Gewinn. Gleichzeitig ist für uns das Signal an unsere Verbreitungspartner wichtig.

Müssten Sie der Existenz von Amazon oder Netflix da nicht im Grunde dankbar sein, weil die neuen Marktteilnehmer die Bereitschaft zur Zahlung für Fernsehinhalte belebt haben?

Unter dem Aspekt könnte man sagen: Ja. Aber auf der anderen Seite entwöhnen Amazon und Netflix die Kunden komplett von Werbung. Die beiden Anbieter werden richtig Probleme bekommen, wenn sie dann doch irgendwann Werbung integrieren. Da werden die Kunden Sturm laufen. Das hat Premiere in Deutschland ja auch lange Zeit gemacht: Sich über Werbefreiheit statt über das Angebot zu definieren. Das musste Sky mühsam korrigieren.