Der noch größere Schritt für RTL II ist aber wohl der in Richtung eigenproduzierte Fiction. Was genau haben Sie da vor?
Thomas Zwiessler: Im Bereich Serie tut sich ja national wie international gerade viel Spannendes. Wir möchten dort mit unserem ganz eigenen Zugang einsteigen und haben drei Projekte in konkreter Entwicklung. Das erste ist für uns noch vergleichsweise naheliegend: Wir werden im Spätsommer ein dramaturgisches Experiment auf den Sender bringen, indem wir einen Erzählstrang aus "Berlin – Tag & Nacht" in einer sechsteiligen Primetime-Serie weiterführen. Es wird um Liebe und Verbrechen gehen, wir werden eine der größten Liebesgeschichten aus "BTN" dort zu Ende erzählen. Mehr möchte ich im Moment noch nicht verraten.
Wie werden Sie das programmieren?
Julian Krietsch: Der Sendetag steht noch nicht fest. Aber wir werden die Folgen sechs Wochen lang jeweils um 20.15 Uhr ausstrahlen.
Klassische Fiction mit richtigen Schauspielern und Drehbüchern dürfen wir auch erwarten?
Thomas Zwiessler: Ja, wir entwickeln mit Ivo-Alexander Beck und seiner Ninety Minute Film eine Miniserie zum Thema Neandertaler – ein Crime-Plot mit Science-Hintergrund. Das wird ein Vierteiler für die Primetime, den wir voraussichtlich im Frühjahr 2016 ausstrahlen. Schon etwas weiter, nämlich in Pre-Production, sind wir mit "The Godless" – ein niederländisches Format, das wir mit Marc Conrad und seiner ConradFilm für Deutschland adaptieren. Das ist eine Crime-Drama-Serie, die auf realen Ereignissen basiert und eine ungewöhnliche Perspektive einnimmt. Erzählt wird, was normalerweise nicht im Krimi vorkommt, nämlich wie Täter und Opfer im Sog eines Konflikts auf das Verbrechen zusteuern. Ausführender Produzent ist die Bavaria Fernsehproduktion. Die Polizeipsychologin und Buchautorin Claudia Brockmann berät uns bei der Entwicklung des Stoffs.
Diese Projekte klingen durchaus ambitioniert, bringen aber auch eine große Herausforderung für die Programmplanung mit sich. Bislang erwartet ja kein Zuschauer bei RTL II deutsche Primetime-Serien. Und für einen regelmäßigen Sendeplatz reicht das Volumen vermutlich noch lange nicht aus...
Julian Krietsch: Stimmt, ganz so weit sind wir noch nicht (lacht). Für eine Serie, die so horizontal durcherzählt ist wie die Neandertaler, werden wir eine Event-Programmierung finden. Das sind die Zuschauer bei uns schon von herausragenden Lizenzserien wie "Game of Thrones" oder "The Walking Dead" gewohnt, die förmlich nach Binge-Watching schreien. Bei einem episodischen Format wie "The Godless" spricht nichts gegen eine wöchentliche Programmierung. Da liegt die Herausforderung eher in der richtigen Kombination mit unseren bisherigen Programmen. Sollten wir es back-to-back mit einer US-Serie programmieren? Oder besser zusammen mit einer unserer non-fiktionalen Eigenproduktionen? Das werden wir uns jeweils genau anschauen und flexibel im Einzelfall entscheiden.
Bleibt es dennoch bei der geplanten Verstärkung von US-Serien?
Julian Krietsch: Tendenziell werden wir die Fläche für Lizenzserien zu Lasten des einen oder anderen Spielfilmplatzes leicht vergrößern. So werden wir vereinzelt auch Serien außerhalb unseres Serienabends am Samstag zeigen, zum Beispiel ab Anfang Mai "The Quest" am Freitagabend oder auch die finale fünfte Staffel von "Falling Skies", die wir kürzlich erworben haben. Im Herbst werden wir zusammen mit der fünften Staffel von "The Walking Dead" auch noch "Z Nation" von Syfy, eine weitere Zombie-Apokalypsen-Serie, ausstrahlen. Und wir haben uns drei Staffeln von "Chosen" gesichert, einer Webserie, die ursprünglich für die Sony-Plattform Crackle entstanden ist. Das ist ein Psychothriller mit ausgeprägt seriellem Charakter und starken Cliffhangern, den wir ebenfalls als Binge-Watching-Angebot programmieren werden.
Damit zielen Sie vor allem auf die männlichen Zuschauer. Haben Sie auch etwas für die Frauen eingekauft?
Julian Krietsch: Selbstverständlich. Der Mittwochabend ist bei RTL II ein etablierter Sendeplatz für junge, weibliche Formate. Dort werden wir die dritte Staffel von "Teen Wolf" zeigen und auch "Twisted" einsetzen. Das ist ein spannendes Mystery-Drama, das in den USA auf ABC Family lief.
"Ich habe nicht das Gefühl, dass die Marke 'Popstars' nicht mehr zieht"
Thomas Zwiessler, RTL II
Dass auch Musik wieder eine stärkere Rolle bei RTL II spielen soll und dass Sie zu diesem Zweck "Popstars" zurückholen, ist bereits bekannt. Fürchten Sie nicht, dass Casting-Formate ihre beste Zeit längst hinter sich haben und dass "Popstars" zuletzt bei ProSieben ein Flop war?
Thomas Zwiessler: "Popstars" ist eine tolle Marke, die große Erfolge auf beiden Sendern feiern konnte. Lediglich die letzte Staffel bei ProSieben lief nicht so gut – aber mit immer noch rund 10 Prozent Marktanteil. Insofern habe ich nicht das Gefühl, dass die Marke nicht mehr zieht. "Popstars" verbindet zwei Dinge, die hervorragend zur Ausrichtung von RTL II passen: ernsthafte Auseinandersetzung mit Musik und große emotionale Erzählung. Dies hat Tradition bei RTL II, schließlich wurden die beiden erfolgreichsten Casting-Bands "No Angels" und "Bro'Sis" bei RTL II geboren. "Popstars" is coming home!
Und was haben Sie im Musiksektor sonst noch vor? Kommt auch "The Dome" zurück?
Thomas Zwiessler: Wir können uns vieles vorstellen und sprechen dabei auch über "The Dome", aber das ist noch offen. Wir haben angefangen, eine Reihe von Musik-Dokus in Auftrag zu geben. Die erste zum 40-jährigen Jubiläum von Boney M. ist ja bereits am vergangenen Montag gelaufen. Weitere werden bald folgen, etwa über AC/DC.
Julian Krietsch: Wir haben das Highlight des diesjährigen BBC-Showcase erworben: die große Dokumentation über die Backstreet Boys, "Show'Em What You're Made of". Die werden wir im Herbst als deutsche Free-TV-Premiere zeigen – mit einem Konzert der Backstreet Boys im Anschluss.