Herr Loeb, mit wem würden Sie lieber mal auf einer einsamen Insel landen, um die Gelegenheit für ein ausführliches Gespräch zu haben: Mit Andreas Mundt, dem Leiter des Bundeskartellamts oder Marc-Jan Eumann?
Michael Loeb: (lacht) Das ist gut. Lieber mit Mundt, den Eumann kenn ich ja schon.
Nach dem Aus für die VoD-Plattform Germanys Gold wegen Einwänden des Kartellamts hätten Sie mit ihm vermutlich noch eine Menge zu besprechen...
Michael Loeb: Ich würde ihn heute gerne mal fragen, was er davon hält, dass große amerikanische VoD-Anbieter ihren Deutschlandlaunch vorbereiten werden. Das ist für uns inzwischen so gut wie sicher, denn man ist bereits auf uns zugekommen, um unsere Programm zu nutzen. Für uns ein Zeichen dafür, dass der Markteintritt bevorsteht.
Selten waren Sie sich mit RTL-Chefin Anke Schäferkordt - deren geplantes „Amazonas“-Portal ebenfalls gestoppt wurde - so einig, wie im Unmut über das Kartellamt...
Michael Loeb: Absolut. Das ist schon faszinierend, wenn wir uns im Vergleich dazu mal den amerikanischen Markt anschauen. Da wird von politischer Seite eher ermöglicht als verhindert. Im Rahmen des transatlantischen Freihandelsabkommen merkt man beispielsweise, wie in Amerika die Medienindustrie protegiert und ihr der Weg bereitet wird, um auch im Ausland erfolgreich arbeiten zu können. Das würden wir hier ja nicht einmal erwarten. Wir würden nur gerne im Inland selber Angebote aufbauen, bevor auf einem weiteren Markt globale Player marktbeherrschend werden. Aber noch nicht einmal das wird durch das bestehende Wettbewerbsrecht gewährleistet. Da bin ich mir - systemübergreifend - mit Anke Schäferkordt einig.
Der Ansatz der Privatsender ist gescheitert, ihr von den Öffentlich-Rechtlichen mitgetragener Ansatz ebenfalls. Ein großes gemeinsames deutsches VoD-Portal ist damit tot?
Michael Loeb: Es gibt drei goldene Regeln für das Gelingen in diesem Markt: Man muss Inhalte aggregieren, man muss die hohen Infrastruktur-Kosten tragen bzw. teilen können und das richtige Geschäftsmodell für die Inhalte finden. In einer idealen Welt wären die Öffentlich-Rechtlichen und Privaten im Bereich des CatchUp-TV alle zusammen bei Amazonas vertreten gewesen. ARD und ZDF mit ihren Mediatheken entsprechend den Auflagen in einem werbefreien Bereich. Und Germany‘s Gold wäre eine kostenpflichtige VoD-Plattform gewesen, die allen für die Weiterverwertung ihrer Rechte offen gestanden hätte.
Aber wenn Netflix nach Deutschland kommt, dann wollen Sie also mit ihren Programmen dabei sein?
Michael Loeb: Natürlich. Auch Germany‘s Gold war ja nicht als exklusive Plattform gedacht. Ich glaube, dass der VoD-Markt davon lebt, dass man Programme auf möglichst vielen Plattformen verfügbar macht. Bei VoD geht es grundsätzlich darum, den Medienkonsum zu erleichtern. Da wäre es falsch, eine Verhinderungstaktik zu fahren. Wir wären mit unserem eigenen Portal nur gerne zuerst im Markt gewesen.
Wobei es ja nun schon genügend Anbieter auf dem deutschen VoD-Markt gibt...
Michael Loeb: Ja, Watchever, Lovefilm, Maxdome... die machen das alle gut. Aber davon dominiert keiner den Markt. Netflix hätte das Potenzial dazu, die haben genügend Geld in der Kriegskasse. Das sieht man beispielsweise in Skandinavien. Für uns wird es ungleich schwerer, später nachzuziehen. Da hat uns das Kartellamt eine große Chance verbaut.
Und jetzt wollen einige Medienpolitiker Ihnen auch noch die Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen streichen. Für die WDR Mediagroup ist das keine gute Perspektive...
Michael Loeb: Ich stütze mich da lieber auf die Mehrheit der Stimmen in der Medienpolitik und auch innerhalb der ARD, die klar gemacht haben: Eine Reduzierung des Rundfunkbeitrags soll vor Werbeverzicht gehen. Ich glaube, dass es der Politik gegenüber den Beitragszahlern gut zu Gesichte stehen würde, in einem historischen Schritt den Rundfunkbeitrag zu senken, als mit einem Werbeverzicht erneut einen Grund zu liefern, warum alles so bleiben soll wie es ist oder sogar wieder etwas teurer wird.
Aber die Idee einer sauberen Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen bei der Frage der Fernsehwerbung, hat schon was. Wäre das kein markantes Unterscheidungsmerkmal?
Michael Loeb: Aber das ist doch kein markantes Merkmal mehr. Der Werbeverzicht ist eine völlig aus der Zeit gefallene Forderung. Vor 15 oder 20 Jahren hätte man das vielleicht noch anders beurteilen können, aber die heutige Situation zu verändern, bringt niemandem die erhoffte Wirkung. Das Beispiel in Frankreich zeigt, dass die Werbegelder nicht zu den privaten Sendern verlagert werden - sondern ins Netz gehen. Und die Programme werden am Ende doch nicht unterscheidbarer oder besser. 1Live wird nicht jünger oder besser ohne Werbung. WDR2 wird nicht informativer ohne Werbung und WDR4 würde nicht kultiger ohne Werbung. Und unser Vorabendprogramm im Ersten würde auch nicht besser laufen. Den Unterschied macht nicht Werbung, sondern die Qualität der Programme.
Das sieht die NRW-Medienpolitik derzeit offenbar nicht so...
Michael Loeb: Da reden wir gezielt von der Hörfunk-Werbung, die im WDR-Gesetz geregelt ist und damit von der Landespolitik bestimmt wird. Da gibt es in der Tat Bestrebungen, die Hörfunkwerbung drastisch zu reduzieren. Das würde die Werbevermarktung bei uns im Haus unmöglich machen, weil wir nicht mehr kampagnenfähig wären. Das würde auch Auswirkungen auf die privaten Radiosender haben, weil Radiowerbung in NRW eben nicht mehr flächendeckend möglich wäre. Und in einer Zeit, in der Tom Buhrow bei den WDR-Finanzen bereits einen drastischen Sparkurs ausgerufen hat, ist es die denkbar schlechteste Idee, auf die Werbe-Millionen, die wir Jahr für Jahr dem WDR überweisen, zu verzichten.
Jetzt haben wir über das Kartellamt gesprochen; wir haben über den Werbeverzicht gesprochen...
Michael Loeb: Kommt jetzt mal was Erfreuliches? (lacht)
Sozusagen. Zumindest erhoffen Sie sich ja Erfreuliches vom Export der „Sendung mit der Maus“. Um mit den Pet Shop Boys zu sprechen: „Go West“ scheint das Motto des Jahres zu sein?
Michael Loeb: „Go East“ hatten wir ja schon. In Japan gibt es die „Sendung mit der Maus“ seit rund zehn Jahren sowohl als Sendung als auch Merchandising und es ist heute immer noch ein Erfolg für uns. Das hat uns die Zuversicht gegeben, dass die Maus eine globale Marke sein kann. Das Format ist international so vielseitig, weil es sich an die regionalen Kulturunterschiede aber auch an unterschiedliche Sendelängen anpassen kann. Die Maus-Spots sind die Klammer, die das flexibel gestaltbare Format aus Lach- und Sachgeschichten zusammen halten.
Wie kam es denn ausgerechnet jetzt dazu, die USA ins Visier zu nehmen? Die Maus ist ja nun nicht wirklich brandneu.
Michael Loeb: Wir haben uns entscheiden, die Vermarktung der „Sendung mit der Maus“ im Ausland selbst in die Hand zu nehmen. Bislang hat das Global Screen übernommen.
Und warum übernimmt jetzt die WDR Mediagroup?
Michael Loeb: Ich glaube, von einem großen Programmvertrieb, der in erster Linie Programmkataloge vertreibt und das sehr erfolgreich tut, kann man nicht erwarten, dass er sich so intensiv mit der „Sendung mit der Maus“ und der internationalen Vermarktung beschäftigt. „Die Sendung mit der Maus“ ist kein fertiges Produkt sondern ein Baukasten-System, bei dem wir jetzt für jeden Markt gezielt schauen, welche Bausteine man anbietet und dementsprechend auch betrailert, bewirbt, betont. Ein Angebot für alle - das wird der Idee nicht gerecht. Und dazu kommt: Wir wollen nicht nur die Sendung international verkaufen, sondern auch die Merchandising-Rechte. Das hat in Japan super funktioniert. Und das ist bei uns jetzt in einer Hand gebündelt. Bei allen fiktionalen Programmen bleibt Global Screen selbstverständlich unser Vertriebspartner.