Herr Büttner, mit Ihrer Firma Gesamtkunstwerk setzen Sie auf crossmediale Medienerlebnisse, in denen die Verknüpfung von Bewegtbildinhalten mit Mechaniken im Internet eine wesentliche Rolle spielt – von der Serie Alpha 0.7 bis zur Online-Erweiterung des Tatort. So unterschiedlich Ihre Projekte auch sind: Lässt sich Ihre Arbeitsweise auf einen gemeinsamen Nenner bringen?

Gesamtkunstwerk ist ja in weitaus mehr Bereichen als dem Social-TV-Geschäft aktiv: Wir produzieren zum Beispiel App-Serien, interaktive YouTube-Kampagnen und arbeiten gerade an neuen digitalen Lösungen für die Kinobranche. Wenn wir aber Social-TV-Lösungen für klassische TV-Formate erarbeiten, gehen wir immer nach drei klaren Prinzipien vor: Verlängern, vernetzen, intensivieren. Wir verlängern den Markenkern eines Formats ins Web, vernetzen das Format mit seinen Zuschauern zu einer Community und intensivieren das Entertainmenterlebnis mithilfe neuer digitaler Werkzeuge.

Das klingt ja zunächst recht einfach. Allerdings tun sich viele Redaktionen damit noch sehr schwer. Worin liegt die große Schwierigkeit, Online-Medien sinnvoll und erfolgreich mit Fernsehinhalten zu verbinden?

Wenn man mit einer Fernsehsendung ins Internet geht, muss man zuerst genau wissen, was man eigentlich erreichen will. Bei der Konzeption der Online-Ermittlungen beim Tatort müssen wir uns zum Beispiel fragen, ob wir lediglich mehr über die Nutzer erfahren wollen, ob es darum geht, den Fernseh-Tatort weiterzuerzählen oder darum, den Tatort als eigenständige Internetmarke zu etablieren. Auf Seiten der Programmmacher besteht oftmals noch eine große Unsicherheit über eine klare Zieldefinition. Aber nur, wenn man sein Ziel klar vor Augen hat, kann man auch von Beginn an den richtigen Weg in der Konzeption einschlagen.

Sie vernetzen Ihre Inhalte auf mehreren Ebenen. Sie bringen die Fernsehinhalte nicht nur ins Netz, sondern verbinden sie auch mit neuen Inhalten – zum Beispiel durch die Kooperation mit YouTube-Stars.

Richtig. Genau das ist schließlich das Prinzip im Netz: Aufmerksamkeit organisieren und dann über Inseln zusammenführen. Wir haben zum Beispiel bei „Alarm für Cobra 11“ mit den bei Jugendlichen sehr beliebten YouTube-Comedians Ape Crime zusammengearbeitet, weil beide gut zusammenpassen – auch wenn das anfangs nicht alle glauben wollten. In den Kommentaren unter den gemeinsamen Inhalten hat sich dann gezeigt, dass es in beiden Fanlagern eine Affinität für den jeweils anderen Inhalt gab. Das hat dazu geführt, dass unser Spiel auch von Leuten gespielt wurde, die vielleicht lange Zeit nicht mehr RTL geschaut haben. Durch unsere Inhalte haben sie sich dann wieder mit dem Format beschäftigt und dann auch wieder eingeschaltet.

Sie schaffen also zusätzliche Chancen, dass potenzielle Zuschauer mit einem Inhalt in Berührung kommen, um bei Gefallen tiefer einzutauchen. Wie strategisch sollte man hier vorgehen?

Es bringt gar nichts, einfach drauflos zu machen und seine Inhalte blind auf irgendwelchen Facebook-Seiten zu streuen. Man muss seinen Markenkern genau kennen – und zwar den Markenkern, den das Publikum sieht. Programmmacher sind manchmal überrascht, was das dann tatsächlich ist. Das Schöne ist doch, dass man im Internet schnell herausfinden kann, was das Publikum eigentlich an meinem Inhalt mag. Es gibt Dinge, von denen man glaubt, das würden bestimmte Interessengruppen gut finden. Und wenn man diese dann mit diesen Gruppen vernetzt, merkt man, dass das gar nicht stimmt. Das ist eine Wahrheit, der man sich aber unbedingt stellen muss. Die Einschaltquoten der großen Formate sind doch eher eine statistische Größe und haben nichts mit der Realität der Zuschauer zu tun. Da wird dann Desinteresse damit erklärt, dass die Zielgruppe ein bestimmtes Genre oder Thema nicht mag – dabei war die Sendung einfach nur schlecht gemacht.

Fernsehproduzenten – vor allem große Häuser wie Endemol, UFA und First Entertainment – wollen als Partner von YouTube auf den Original Channels der Video-Plattform das Netz erobern. Schaut man sich die Klickzahlen an, dann wird schnell klar, dass ein Publikumserfolg anders aussieht. Sind Fernsehproduzenten die richtigen Partner für diese Channels?

Es ist durchaus interessant zu beobachten, dass große Firmen wie Endemol und die UFA es aktuell noch nicht schaffen, eine große Community zu mobilisieren. Es schließt sich aber die Frage an, ob sie das überhaupt wollen. Es wäre unfair, Inhalte und die Reichweiten der Channels als Versagen darzustellen. Genau wie wir alle müssen sich die Unternehmen erst einmal in diese neue Welt einarbeiten, die entsprechenden Strukturen schaffen und die richtigen Macher für ihre Produktionen auswählen.