Herr Gamlich, auf Ihrer Website sagen Sie: „Es gibt viel mehr Ideen als Sendeplätze“. Wenn ich mir das Fernsehen heute manchmal anschaue, denke ich mir das genaue Gegenteil...
Die Aussage kommt aus unserer Sicht hier bei South & Browse. Wenn Du etwas entwickelst und das klappt nicht, musst Du morgen einfach etwas Neues machen. Ich habe früher ja auch auf Senderseite gearbeitet und da denkst Du anders: Da hast Du Gefäße, die gefüllt werden müssen. Produzenten können und sollten da anders denken. Je ungewöhnlicher eine Idee ist, desto schwieriger ist es, Bedenkenträger zu überzeugen. Aber wenn ich aufhören würde, Überzeugungsarbeit leisten zu wollen, sollte ich aufhören zu produzieren. Nur weil es mal schwierig wird, haben wir hier noch nie aufgehört zu arbeiten.
Mancher Produzent seufzt ja hin und wieder über die Fernsehsender. Sie kennen beide Seiten. Seufzen Sie da heute auch manchmal über ihr früheres Ich?
(lacht) Ich weiß ja nicht, wie es den Produzenten vor zehn Jahren ging. Das ist immer ein Kampf um die besten Ideen. Wir treten zumindest immer wieder mit dem unerschütterlichen Glauben, dass es so ist, an. Manchmal ist man sofort auf einer Seite, manchmal muss man die Senderseite erst überzeugen. Es ist ganz unterschiedlich. Bei den Öffentlich-Rechtlichen erlebe ich Aufbruchsstimmung. Da traut man sich immer häufiger sogar mit neuen Köpfen neue Formate umzusetzen. Für den BR haben wir ein modernes Heimatmagazin entwickelt. Da fingen die Gespräche vor zwei Jahren an und dann ging das so seinen Weg. Die schauten sich natürlich erstmal South & Browse an - wir kommen ja eigentlich aus einer anderen Entertainment-Welt. Ein Format wie „Das Model und der Freak“ ist jetzt nicht die 1A-Bewerbung für den Bayerischen Rundfunk. Aber wir konnten mit Handwerk und einer speziell auf den BR zugeschnittenen Idee überzeugen. Und mit Florian Wagner haben wir einen Moderator gefunden, der sehr gut zu „Heimatrauschen“ passt.
Sie sprechen selbst schon das breite Spektrum der Produktionen an. Hat sich South & Browse in den vergangenen zehn Jahren gewandelt?
Wir sind nie zur TV-Fabrik geworden sondern immer die Manufaktur geblieben. Das bin ich auch sehr gerne, weil wir handmade arbeiten. Was bedeutet das? Wir haben fast ausschließlich Produktionen selbst entwickelt, hier in der Münchener Innenstadt. Unser Team, ein Blatt Papier - und los geht‘s. Das Importieren von Formaten bietet sich in wenigen Fällen an. Da haben wir auch nichts dagegen. Aber es ist doch fast jeder zum Fernsehen gegangen mit der Vorstellung, eigene Ideen auf Sendung zu bringen. Das treibt uns an. Da arbeiten wir dann auch gerne an vielen kleineren Ideen. Wir entwickeln ja auch viele Beiträge für Magazin-Sendungen. Das ist nicht unbedingt großes Primetime-Fernsehen aber Handwerk. Und wenn man vom Idealismus getrieben ist, sitzt man ggf. auch noch eine Schicht länger im Schnitt in einer der Boxen hier nebenan.
Mir ging es eher darum, ob sich die Genres verschoben haben, in denen South & Browse agieren will...
South & Browse hat in Berlin - die Kollegen dort sind ja früher gestartet - angefangen als Unterhaltungsproduzent. Und über die Jahre hier mit dem Münchener Team haben wir uns auf Formate im Factual-Bereich spezialisiert. Das unterscheiden wir noch einmal in Doku & Entertainment und Wissen & Gesellschaft. Das tun wir hier am Standort München jetzt zehn Jahre lang. Normalerweise wird man ja erst mit 18 erwachsen, aber wir fühlen uns sehr erwachsen. Nur wenn man mit öffentlich-rechtlichen Sendern spricht, sind wir aus deren Sicht eher sehr jung. Aber die Chance zu haben, dort zu zeigen, was wir für dieses Umfeld und Publikum machen können, macht sehr viel Spaß. Da sind wir auch gerne wieder jung und lernen.
Da kommt Ihnen die derzeitige Öffnung der Öffentlich-Rechtlichen hin zum Infotainment ja sicher ganz recht...
Absolut. Ich glaube, dass auch ARD und ZDF die Scheu davor verloren haben, Substanz so zu vermitteln, dass sie von einem großen Publikum nicht nur verstanden, sondern auch gemocht wird. Ich meine damit natürlich nicht aktuellen Journalismus und investigative Politik-Reportagen. Ich möchte nichts weichspülen. Aber wir freuen uns, dass die Öffentlich-Rechtlichen zunehmend von der Zuschauerseite her denken und Wissen auch zugänglich, vielleicht sogar unterhaltsam verpacken. Das ermöglicht uns, den Orbit Privatfernsehen auch mal zu verlassen.
Gibt es da über „Heimatrauschen“ im BR hinaus schon Projekte?
Wir haben in diesem Jahr beim ZDF in der Redaktion von „TerraXpress“ eine Idee vorgestellt, die wir entwickelt haben. Nach tollen, konstruktiven Gesprächen haben wir es umgesetzt: Das – wie wir glauben - innovative Konzept „Planquadrat Deutschland“ mit Dirk Steffens lief sehr gut und wird nächstes Jahr fortgesetzt.
Aber Sie produzieren ja auch weiterhin für das Privatfernsehen...
Natürlich und wir haben dieses Jahr auch junge Unterhaltungs-Programme gemacht. Mit RTL II haben wir als zunächst einmaliges zweistündiges Special „Der große Jugendreport“ umgesetzt. Das ist im Grunde eine verfilmte wissenschaftliche Studie. Die bekannte Shell-Studie zur Jugendkultur. Die liefert nüchterne Fakten, die wir mit Storys belebt haben. Da haben mitten im Unterhaltungsprogramm von RTL II Wissen vermittelt. Der Sender war zufrieden, das Feedback war gut. Deswegen machen wir jetzt weiter mit ein paar anderen Ideen dieser Art. Unterhaltsam und zugleich wertig und wertvoll.