Ein anderthalb-stündiges Pressegespräch mit Thomas Gottschalk und Günther Jauch kann sehr kurzweilig sein. Doch, glauben Sie es mir. Da fallen mal eben druckreife Aussagen, wenn Gottschalk erklärt: „Ich bin Gesichtsvermieter. Und wer sagt ,Mit dem Gesicht komm ich noch ein Stückchen weiter‘, der kann es haben. Die Mieten sind halt günstiger geworden.“ Die Bescheidenheit des Thomas G. kennt jedoch auch Grenzen: „Ich saß neulich in Salzburg beim Maurizio Pollini. Der hat erst Schumann, dann Chopin gespielt. Da habe ich mit Entsetzen gesehen: Schumann ist 49 geworden und Chopin 39. Da hab ich schon ein schlechtes Gewissen gehabt.“ Günther Jauch hingegen bekennt nach all den Jahren vor der Kamera: „Mittlerweile kann ich mit der gewissen Brutalität mit der Quoten und ähnliche Zahlen über den Erfolg einer Sendung entscheiden, besser leben kann, als mit Meinungen darüber, die eben nichts mit objektivierbaren Messungen zu tun haben.“
Doch beginnen wir von vorn. Ein Sommertag Mitte August in Berlin, 12 Uhr. Ein runder Tisch mit Thomas Gottschalk und Günther Jauch in einem so neuen 5-Sterne-Hotel der Hauptstadt, dass es keiner der Anwesenden vorher kannte. Es war einmal die dänische Botschaft. Der Charme des Konferenzraums in der zweiten Etage des Hotel Stue ist dann auch am Besten mit ministerial zu umschreiben. Definitiv mehr Jauch als Gottschalk. Eine Verteilung, die auf die folgenden 90 Minuten nicht zutrifft. Gottschalk produziert sich gelassen und doch wohl überlegt. So gut, dass es mich beinahe wieder besorgt, denn die Pressekonferenz zu „Gottschalk live“ war schließlich auch noch höchst unterhaltsam. Da konnte er übrigens nichts Genaues zur Sendung sagen - genauso wie an diesem Mittag beim Pressgespräch zu „Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen alle“.
Beim Konzept der Sendung bekomme sie Kopfschmerzen, bekennt eine Kollegin und bittet um Aufklärung: Mit verständnisvollem Nicken will Günther Jauch zur ersten Antwort ansetzen als Thomas Gottschalk seine Tasse abstellt und direkt dazwischen grätscht: „Na, das geht ja schon gut los hier.“ Die Journalisten lachen. Gottschalk grinst zufrieden. Ein Punkt gemacht. Dann aber Jauch: „Wir können es im Grunde nicht erklären...“ „...weil wir uns die Kopfschmerzen ersparen wollten“, grätscht Gottschalk wieder dazwischen. Sie können sich schon in etwa vorstellen, wie die nächsten anderthalb Stunden dieses Gesprächs verlaufen werden. Es wird ein launiger Schlagabtausch; Gottschalk dem Gag und Jauch der Erklärung verpflichtet. „...weil wir außen vor gehalten werden“, erklärt der letztlich. „Das, was wir wissen, ist die Grundidee: Wir beide gegen 500 Menschen im Saal bzw. ganz Deutschland, die per Telefon und SMS mitmachen können. Ein Duell, das eine Mischung darstellt aus Wissen, Schätzen und Aktionen.“
"Ich bin wie gewünscht unvorbereitet"
Thomas Gottschalk
„Mir wird - nicht von Euch natürlich“, wie Gottschalk mit seinem bekannten „Haribo“-Grinsen einschiebt. „immer wieder von diversen Pressekollegen vorgeworfen, dass ich unvorbereitet zu meinen Arbeitseinsätzen erscheine. Jetzt hat auch RTL eingesehen, dass ich am Besten bedient bin, wenn ich nicht wissen muss, was da passiert; wenn ich guten Gewissens sagen kann: Ich bin wie gewünscht unvorbereitet.“ Zum ersten aber definitiv nicht letzten Mal macht Gottschalk an diesem Mittag das, was er gerne demonstriert: Sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen. Beweisen wollten weder er noch Günther Jauch etwas mit dieser Sendung. Schon gar nicht die eigene Weisheit. „Ich habe in langjähriger Fernseharbeit erkannt, dass die Zuschauer nichts mehr hassen als Klugscheisser, die alles können“, so Gottschalk. „Das Interesse der Zuschauer zwei leuchtende Geistesgrößen zu sehen, ist begrenzt.“
„Wieso zwei?“. Günther Jauch hakt sich kurz ein. Das war schlagfertig, aber Gottschalk redet weiter. Jauch inspiziert derweil die Häppchen auf dem Tisch. „Es soll ja eine Unterhaltungssendung werden. Alles was unterhält, ist richtig. Unser Scheitern kann im Einzelfall lustiger, launiger, fröhlicher sein als das Gewinnen. Ich weiß, dass der greise Vater von Äneas Anchises hieß, aber das wird man mich kaum fragen“, sagt Gottschalk und dreht sich zu RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger: „Obwohl, wär‘ vielleicht mal ein Hinweis.“ Der ungleich höhere Wortanteil vom ehemaligen Vorabend-Abenteuerer der ARD wirft die Frage nach der Rollenverteilung in der Show auf. „Ich bin der Hübsche“, erklärt Gottschalk. Ernsthaft: Reflexartig würden er und Günther Jauch stets erkennen, wer gerade dran ist. „Das ist dieses Abgeklärte - oder in meinem Fall auch Abgehangene - was wir haben. Das ist ein Vorteil für entspanntes Fernsehen.“ Und darunter verstehe er immer noch etwas Anderes als das, was heute oft als Unterhaltungsfernsehen über die Sender gehe.
Schadenfreude oder auch Mitleid dürfen aber gerne sein. Das seien Reflexe, die seit Frankenfeld in der Fernsehunterhaltung funktionieren. „Und auch heute noch“, da ist sich Gottschalk sicher. Einsatz Günther Jauch: „Ich hoffe, dass sich da Kompetenzen ergänzen. Also wenn ich zwischen Bayreuth und Hollywood aussteige...“ „...sag Salzburg, Bayreuth kommt nicht so gut“, rät Kollege Gottschalk. „Also dass ich dann zwischen Salzburg und Hollywood ihm das Feld überlasse und ich dagegen zwischen...“ „FDP und den Grünen“ „...eine kleine Unterscheidung herzustellen vermag, dann können wir uns das gut aufteilen“; so Jauch. Doch klassisches Schulwissen spiele vermutlich eh keine Rolle, vermutet Jauch, der die Show zwar über seine Produktionsfirma i&u produziert, aber selbst völlig ratlos sei. Gottschalk pflichtet bei und liefert beinahe eine Steilvorlage für eine ungewollte Schlagzeile. „Die Grundidee ist doch wohl, dass die Leute zuhause eine reelle Chance haben und mitspielen können. Und das wäre doch völlig irrsinnig, vor allem wenn RTL-Zuschauer...“
„Wie bitte? Jetzt pass‘ auf was Du sagst!“, stoppt Jauch rechtzeitig. Er meine ja nur, wenn jetzt „zwei Humanisten mit ihrer Wissensfülle prahlen wollten, wären wir doch bei diesem Publikum völlig falsch aufgehoben. Es muss eher Dinge geben, die alle wissen, nur wir beiden Idioten nicht", so Gottschalk. Immer wieder kommen detaillierte Nachfragen zu der Sendung. Gottschalk nimmt sie alle an. Er will liefern. Jauch hingegen bremst immer mal wieder ein bisschen: „Das wissen wir doch alles gar nicht.“ Gottschalk: „Also man erzählt uns, dass Menschen im Studio sitzen, die mitspielen und dann wird der beste daraus ermittelt. Das sind Dinge, vor denen verneige ich mich staunend. Zu meiner Zeit mussten alle mal unterm Stuhl nachschauen und bei einem klebte dann was. Das war es dann aber auch.“ Er freue sich auf den Raum für Spontanität. „Weil man erkennen muss, dass da kein Prompter hängen bleibt und man sehen soll, dass wir das nicht alles schon dreimal durchgekaut haben“, so Gottschalk. "Diese gespielte Überraschung von Moderatoren hat mich immer genervt, die in der Show einen Koffer geöffnet haben und nicht fassen konnten was da alles drin war, obwohl jeder gemerkt hat, dass sie es sieben mal geprobt hatten. Das ist Fernsehen, wie ich es nie als meines begriffen habe.“
„Ich fänd‘ es auch unfair zu fragen, ob es den ,Focus‘ zwangsläufig braucht."
Günther Jauch
Aber brauche es denn jetzt die x-te Challenge-Show, fragt eine Kollegin vom „Focus“. Gottschalk kontert zuerst: „Brauchen wir das x-te Fußballspiel? Das sind immer 22 Leute, die auf 2 Tore spielen. Es geht halt immer anders aus und sind immer andere Spieler. Brauchen tun wir gar nüscht. Es gibt auch zu viele Zeitungen, aber das klärt sich ja auch gerade.“ Eher verhaltenes Lachen unter den Print-Kollegen. Dann Jauch: „Ich fänd‘ es auch unfair zu fragen, ob es den ,Focus‘ zwangsläufig braucht. Solange die entsprechende Nachfrage da ist, gibt es doch eine Daseinsberechtigung.“ Und jetzt macht sich Jauchs frühe Inspektion der Häppchen auf dem gedeckten Konferenztisch bezahlt: „Braucht man zum Beispiel dieses seltsam zugeschnittene Brot, dass ich so auch noch nirgendwo kredenzt bekommen habe. Oder diese Mischung aus geronnenem Orangensaft oder soll es Marmelade sein? Die Frage kann man immer stellen.“ „Wie man sich damit auseinandersetzt, das macht den Unterschied. Wir sehen das vermutlich anders als der junge Mann, der eine Pâtisserie-Lehre in Paris hinter sich hat.“
Mit anderen Worten: Was dem einen viel bedeutet, ist für den anderen unnötiger Quatsch. Aber solange es eine Nachfrage gebe, gebe es eine Daseinsberechtigung. Anders sei das bei seinem Vorabend-Experiment gewesen, so Gottschalk: „Da war der gute Wille da, das brauchte aber keiner. Also mach ich lieber was ich kann und solange RTL dankbarerweise der Meinung ist, dass mit mir noch was zu erben ist, ist das in Ordnung. Und ich gehe auch nicht davon aus - die Frage muss ja über kurz oder lang noch kommen heute - dass wenn der Günther seine vier Millionen Zuschauer mitbringt und meine - ein paar Überlebende gibts ja - zwölf Millionen ,Wetten, dass..?“-Zuschauer von anno dazumal - dann sind wir im Grunde bei 20 Millionen und 18 wäre schon eine herbe Enttäuschung. Also wenn wir so rechnen, können wir gleich einpacken.“ Beim Stichwort Erwartungshaltung redet sich Gottschalk ein wenig in Rage. Jauch lässt das kühl. Er lässt reden und probiert noch einmal dieses Brot, lauscht knabbernd seinem Kollegen. Eine erprobte Rollenverteilung.