Frau Hempel, wie viel Herzschmerz verträgt eigentlich das deutsche Fernsehen?
(lacht) Es kann gar nicht genug geben! Wenn ich mir die Vielzahl an Krimiserien anschaue, die derzeit im deutschen Fernsehen laufen, können ein paar zusätzliche emotionale Geschichten sicher nicht schaden.
Können Sie eigentlich mit dem Begriff "Herzschmerz" leben?
Er beinhaltet immerhin, dass der Zuschauer auch berührt wird – und berührt werden soll, und darum geht es. Wir müssen etwas Substanzielles zu erzählen haben und es muss für die Figur um etwas Existenzielles gehen. Erzählungen, die sich auf zwei Liebende und einen Sonnenuntergang beschränken, sind Erfolgsmuster aus den 90er Jahren, die sich zum Großteil überlebt haben.
Inwiefern haben sich die Stoffe denn verändert?
Wir machen ein Programm für romantische Realisten. Die Lebenswelt und all die Fragen, die uns Tag für Tag umgeben, spielen darin eine wichtige Rolle. Gleichzeitig kann aber auch eine Überhöhung stattfinden. Unser Versprechen ist es, den Zuschauer mit einem tröstenden Moment zu entlassen. Selbst wenn wir harte Geschichten erzählen, wie etwa bei "Tsunami - Das Leben danach" oder "Wer liebt, lässt los" mit Ursula Karven – einer ebenfalls wahren melodramatischen Schicksalsgeschichte, die wir im Febuar senden - dann erzählen wir trotzdem von einer Lebensbejahung, ohne komplett rosarot zu sein. Das war vor ein paar Jahren sicherlich noch anders.
Aber der Kitsch-Vorwurf liegt natürlich nahe und wird auch gerne erhoben. Empfinden Sie diesen Vorwurf als berechtigt?
Nein. Es ist zu einfach, die Welt in E und U zu unterteilen. Das trifft die Sache nicht, denn darüber ist das deutsche Fiktion-Fernsehen längst hinweg. Es muss in unserem Genre immer darum gehen, in einer populären Form packende Geschichten zu erzählen. Wir wollen überraschend, humorvoll und temporeich sein und unsere Zuschauer mit interessanten Besetzungen überraschen. Das als Kitsch abzukanzeln, wird der Sache nicht gerecht.
Hat denn der Anteil an komischen Stoffen in den zurückliegenden Jahren zugenommen?
Ja, wir haben den Humorfaktor erhöht und unser Spektrum, was die Komödien angeht, erweitert. Wir zeigen Familienkomödien a la Dora Heldt "Ausgeliebt", romantische Komödien mit erwachsenen Liebesgeschichten wie "Flaschenpost für meinen Mann" mit Melika Foroutan - beide Filme sind Anfang des Jahres zu sehen. Gerade haben wir mit Geschichten wie "Zu schön um wahr zu sein" mit Sabine Postel oder "Wir haben gar kein Auto" mit Jutta Speidel komödiantisch von der Frau in den besten Jahren erzählen – so, wie sie wirklich ist! Damit waren wir sehr erfolgreich und in diesem Feld möchten wir aber gerne noch ein bisschen zulegen.
Gleichzeitig bleiben aber große Namen wie Rosamunde Pilcher und Inga Lindström. Wie erklären Sie sich den anhaltenden Erfolg dieser Reihen?
Der Sonntagabend ist sehr stark von Ritualen geprägt. Sonntags sind die Zuschauer nicht besonders risikobereit und wollen auch keine riesige Überraschungstüte serviert bekommen. Dem wollen wir mit Marken wie "Rosamunde Pilcher" und "Inga Lindström" Rechnung tragen. Mit "Katie Fforde" haben wir zudem eine weitere Marke erfolgreich etabliert. Daneben haben wir einzelen Reihen und starke Einzelstücke. Zwei oder drei Mal im Jahr machen wir sogenanntes Event-Fernsehen, wie etwa mit "Beate Uhse" oder "Schicksalsjahre". Diese Tradition werden wir im ersten Quartal mit "Unsere Mütter, unsere Väter" fortsetzen, einem Dreiteiler, der auf neuartige Art und Weise vom 2.Weltkrieg erzählen wird. Ich halte diese Mischung insgesamt für extrem wichtig. Aber natürlich haben Sie nur durch ständiges Arbeiten an den Marken dauerhaft Erfolg. Wenn Sie sich Pilcher-Filme von vor zehn Jahren ansehen, werden Sie ziemliche Veränderungen feststellen.