Herr Herres, vor wenigen Tagen wurde Halloween gefeiert. Wovor zittert eigentlich ein Programmdirektor des Ersten - vor den Quoten, vor den Gremien?
Ich bin generell ein angstfreier Mensch und es gibt auch keinen Grund, als Programmdirektor ängstlich zu sein. Im Gegenteil: Man sollte mutig sein - und das kann man in diesem Geschäft auch. Die privaten Sender müssen auf die Quoten schauen, weil es ein Teil des Geschäftsmodells ist. Wir haben ein anderes Geschäftsmodell, wir haben einen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag.
Sie wollen aber doch trotzdem gesehen werden und die Marktführerschaft nicht kampflos RTL überlassen, nehme ich an…
Man kann den Programmauftrag nur erfüllen, wenn man gesehen wird. Natürlich wollen wir so viele Menschen wie möglich erreichen, aber es ist uns nicht egal, womit.
Sehr viele Zuschauer erreichen Sie mit Ihren Serien am Dienstag. Das ZDF hat gerade angekündigt, sich von langjährigen, aber nach wie vor erfolgreichen Serien zu trennen, um Platz für Neues zu schaffen. Ist das ein Weg, der auch für Sie denkbar ist? Im Ersten scheint es in der Primetime ja ebenfalls ein Platzproblem zu geben...
Es ist kein Dilemma, es ist ein Luxusproblem. Wir haben am Dienstagabend den erfolgreichsten Serien-Sendeplatz im deutschen Fernsehen. Gleichwohl haben wir auch dort in den Spielräumen zwischen den einzelnen Staffeln immer wieder Neues ausprobiert, wenn Sie etwa an „Weissensee“ denken. Diese Geschichte werden wir im nächsten Jahr weitererzählen. Und mit "Mord mit Aussicht" haben wir eine Serie etabliert, die am Anfang kein großer Publikumserfolg gewesen ist. Das ist von der Machart ganz sicher noch ein bisschen anders als das, was man am Dienstag gewohnt war - ein Stückchen schräg. Aber wir werden die beliebtesten Serien ganz sicher nicht wahllos absetzen.
"Mord mit Aussicht" ist ja gerade beim sonst so schwer zu erreichenden jungen Publikum ein großer Erfolg. Da muss es doch das Bestreben sein, in diese Richtung weiterzumachen, um die Zuschauer länger als nur 13 Wochen im Jahr zu halten.
Das ist natürlich unser Ziel - und es ist ja nicht so, dass wir nichts Neues machen würden. Harald Krassnitzer steht als „Paul Kemp“ vor der Kamera. Er spielt darin einen Mediator, der sein eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommt. Das ist etwas ganz Eigenes und wird voraussichtlich 2014 dienstags starten. Sie dürfen aber auch nicht vergessen, dass wir am Vorabend mit den "Heiter bis tödlich"-Formaten gerade erst eine neue Serien-Fläche geschaffen haben.
Da stellt sich allerdings die Frage, ob die Zuschauer den Weg dorthin auch tatsächlich finden.
Wir sind nicht da, wo wir hinwollen. Das muss man klar sagen. Aber wir sind auch erst am Beginn der Entwicklung. Als wir vor gut einem Jahr damit anfingen, mussten wir wegen "Gottschalk Live" recht schnell die Umschaltzeiten verändern. Das war für die Serien nicht sehr vorteilhaft. Jetzt sind sie wieder auf ihrem angestammten Platz und müssen ihr Publikum finden. Insofern kann man derzeit nur schwer Aussagen über den Erfolg treffen. Man sieht aber, dass einzelne Serien durchaus Potenzial besitzen. "Hubert und Staller" gehört ganz sicher dazu. Unter allen Vorabendserien besitzt sie insofern einen Ausnahmecharakter, weil sie doch sehr schrill ist. Andere Formate haben nicht so gut funktioniert, aber mit dem "Hauptstadtrevier" kommt ja nun schon bald der nächste Neustart. Das "Heiter bis tödlich"-Konzept hat für uns den unschätzbaren Vorteil, dass wir die Besten der Besten in der gesamten Produzentenlandschaft auffordern können, Vorschläge zu machen. Mein Vertrauen darin ist groß.
Es gibt also keine Denkverbote?
In der ARD gibt es nur ein Verbot: Das Verbot für Denkverbote. (lacht)
Deshalb hat es vermutlich auch Thomas Gottschalk in den ARD-Vorabend geschafft, oder?
(denkt nach) Es gab auch damals keine Denkverbote.
"Gottschalk Live" ist abgehakt, nur: Was wollen Sie denn in Zukunft mit Thomas Gottschalk machen?
Wir sind seit Beginn seiner ARD-Zeit ständig im Gespräch, aber derzeit gibt es kein Projekt, über das man öffentlich informieren könnte. Thomas Gottschalk ist und bleibt einer der ganz großen Entertainer, die dieses Land hat.
… auch für die ARD?
Wir machen auch Fernsehen.
Aber es kann Ihnen doch unmöglich gefallen, Thomas Gottschalk am Samstagabend neben Dieter Bohlen in dieser Schnitt-Manufaktur von RTL sitzen zu sehen.
Ich muss gestehen: Ich schaue "Supertalent" relativ selten und wenn, dann ausschließlich aus professionellen Motiven.