Herr Rütten, Sie haben in den vergangenen knapp 20 Jahren an zahlreichen Comedy-Formaten mitgewirkt. Jetzt das erste eigene Format. Am Ziel angekommen?
Nun, der Unterschied ist einfach: Jetzt halte ich meine Fresse raus und muss aushalten, was ich abbekomme - während ich sonst ja nicht an vorderster Front stand. Aber ich freue mich auf dieses sportliche Unterfangen, weil ich das Risiko mag. Und so geht es auch Tele 5-Geschäftsführer Kai Blasberg und Programmdirektor Thomas Friedl, mit dem ich seit vielen Jahren befreundet bin. Die haben mich auf mein Synchro-Format, mit dem ich auch schon auf Tournee gegangen bin, angesprochen. Es gab schon viele Interessenten, aber keiner hatte dann den Mut, weil Bauchgefühl fehlte. Tele 5 hatte das. Und jetzt ist sie da, die eigene Sendung.
Ersetzt die Marktforschung inzwischen zu oft das Bauchgefühl bei Programmentscheidungen?
Das bringt es sehr gut auf den Punkt. Alles soll risikobefreit, gefallend und nicht polarisierend sein. Und Comedy wird in Deutschland gerne als Überbegriff gewählt, weil man darunter nicht mehr differenziert. Da wird eine spät laufende Sendung schon mal automatisch zur Late Night. Ich weise in dem Falle immer ganz gerne darauf hin, dass LateNight im Fernsehen keine Tageszeit ist, sondern ein Genre.
Comedy im Fernsehen hat sich zuletzt eher in der Nische als im Mainstream entwickelt? Oder täuscht der Eindruck?
Nein, das sehe ich genau so. Und daran ist die Comedyinflation vor einigen Jahren Schuld. Wir hatten so viel Comedy in der Primetime bei den großen Privatsendern. Erst noch in Form tatsächlicher TV-Formate, dann gab es nur noch das Abfilmen von Bühnenprogrammen - Mario Barth und Kollegen. Dagegen kommen kleine Comedy-Ideen nicht an, die so natürlich in die Nische wandern.
Und das Abfilmen von Bühnenprogrammen entwickelt das Genre der TV-Comedy ja auch nicht wirklich weiter...
Man hat keinen Mut mehr zum Risiko. Aber das gilt nicht nur für den Bereich Comedy. Ich habe im „Spiegel“ einen Artikel über die US-Serie „Homeland“ gelesen. Ich habe die Serie dann dank iTunes konsumiert und sie hat mir ein tolles TV-Erlebnis beschert. Auf jeden Fall habe ich in besagtem Artikel lesen dürfen, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich da nicht heran trauen. Zu schnell, zu modern, zu ambitioniert - was auch immer - vielleicht sogar zu spannend. Dabei erwarte ich von einem gebührenfinanziertes Labor Innovationen - selbstgemacht und auf dem Markt entdeckt - gerade eben auch, weil man einen langen Atem haben könnte. So wird „Homeland“ jetzt bei ProSiebenSat1 versendet und wir haben uns mittlerweile auch ein Publikum anerzogen, so dass ich mir gut vorstellen kann, dass „Homeland“ nach zwei Folgen leider wieder eingestellt wird. Das finde ich über die Comedy hinaus und von der Tendenz her einfach so beispielhaft – und es gilt auch für die Comedyentwicklung. Und dann höre ich von der ZDFneo-Chefin Emmelius, dass man mainstreamiger werden will. Da muss ich ganz klar entgegen halten: Nein, auf gar keinen Fall! Immer schön weiter probieren und das auch im allerbesten Sinne des Risikos.
„Rüttens Bullshit Universum“ ist definitiv kein Mainstream. Wie würden Sie die Sendung beschreiben?
Ich denke man darf den Begriff Satire benutzen. Im Grunde ist das, was ich da mache, eine Spezialität, die ich in meinen sieben Jahren bei der „Harald Schmidt Show“ entwickelt habe. Ich habe dort den Spaß an wochenaktuellen Themen, die ich mit sinnvollen Verweisen auf Filmausschnitte möglichst lippensynchron in eine inhaltliche Relevanz gebracht habe, entwickelt. Da gab es schon legendäre Einspieler zum Thema „Hitler hatte nur ein Ei“ zum Beispiel.
Aber trägt das jetzt auch als eigenständiges Format?
Das war auch erst meine Sorge und über lange Zeit meine Antwort auf die, die danach gefragt haben. Dann habe ich aber einen Piloten gemacht und festgestellt, dass es durchaus trägt. Es ist ganz beruhigend, dass mir zu jedem Film, den ich pflichtgemäß im Schnelldurchlauf geguckt habe, etwas einfällt. In jedem Film gibt es eine groteske oder absurde Situation und mein Ehrgeiz ist natürlich auch vielfältige Ansätze zu zeigen. Immer nur sexuelle oder radikalen Pointen am Ende, das wäre arm. Der Vorwurf „Der macht immer das selbe“ - das wäre schlimm. Aber so war es nicht. Der Pilot war super - und Grundlage für die Zusammenarbeit mit Tele 5. Zu den neu synchronisierten Clips gibt es Zwischenmoderationen in einer behaupteten Live-Situation. Ich hoffe, dass es ein Publikum findet, das meinen Humor teilt.