Ich mag Opern nicht. Trotzdem verschlägt es mich ab und an in eine. Aus beruflichen oder aus sozialhygienischen Gründen. Dann sitze ich da endlose Stunden ab und langweile mich zu Tode, weil die Sänger ihre zwei, drei dürren Zeilchen wieder und wieder von der Bühne herunterplärren, weil das Orchester im Graben wild zu wüten vorgibt, aber allenfalls ein laues Lüftchen produziert. Ab und zu zucke ich dabei zusammen. Irgendetwas in meinem Körper sagt mir dann, dass gerade etwas falsch läuft. Entweder wackelt die Stimme der Diva, oder die Violinen suchen sich gerade andere Wege als sie der Dirigent vorgibt. Ich höre das nicht, ich spüre das. Solche Aussetzer bereiten mir körperliche Pein. Ich habe keine Ahnung von Oper, aber mein Inneres spürt, dass da gerade etwas daneben geht. Es zieht sich dann etwas zusammen in mir.
Die gleichen Kontraktionen verspüre ich auch beim Fernsehen. Mein Instinkt registriert, wenn etwas falsch läuft, wenn Dinge aus der Spur geraten. Er meldet sich nicht, wenn ich nachmittags RTL schaue, weil nichts aus der Spur geraten kann, wenn es einfach keine Gleise gibt und alles nur dumpf durch die staubige Ebene des Banalen rappelt. Nein, ich spüre lediglich dann, dass etwas falsch läuft, wenn ich den Machern gute Absicht unterstelle, aber dabei zusehen muss, wie sie baden gehen.
Das beste Beispiel liefern mir regelmäßig die Tagesthemen. Nein, das ist falsch gesagt. Es sind nicht die Tagesthemen, die mir Pein bereiten. Es ist die ungelenke Art der Übergabe an die Tagesthemen, die mich regelmäßig schauern lässt.
Wahrscheinlich hat den Machern des ARD-Programms irgendwer mal gesagt, dass es so etwas wie Audience Flow gibt, dass man halt mehr Zuschauer behält, wenn man von der einen zur anderen Sendung sanft überleitet, einen wie auch immer gearteten Zusammenhang herstellt. RTL beherrscht das bis zur Perfektion. Wenn dort das Team Wallraff ermittelt, steht direkt danach garantiert Günter Wallraff bei Birgit Schrowange im Studio und erzählt den Zuschauern noch einmal dasselbe, was sie gerade gesehen haben. Ich gebe zu, das wirkt. Ich kenne das aus der Schule, wo ich in der Mathestunde immer doof rumsaß und erst auf dem Heimweg ein bisschen was kapierte, wenn mein Kumpel Reinhold mir das mit seinen Worten erklärte. Besser wäre gewesen, Reinhold hätte mir das direkt nach der Mathestunde erklärt. Also direkt im Sinne von direkt. So wie bei RTL.
Was RTL kann, kann die ARD noch lange nicht. Sie haben einfach nicht kapiert, wie das geht mit dem direkt danach. Genau deshalb schaffen sie mir an jedem verdammten Abend, an dem ich bei diesem Anstaltenverbund strande, körperliche Schmerzen. Nicht nur das: Sie verleiten mich, der ich mich eigentlich als klassischer Tagesthemen-Kunden einschätze, dazu, umzuschalten, weil ich dieses Getue einfach nicht ertrage.
Da geht ein Magazin zu Ende, und kurz vor Schluss muss die Moderatorin ins Tagesthemen-Studio schalten und eine eher rhetorische Frage stellen. „Caren Miosga, bei der Fifa rumpelt’s gewaltig“, sagte daher am Donnerstag Anja Reschke und musste sich für so etwas noch zusätzlich Sekunden von der mit 29 Minuten eh schon knapp bemessenen „Panorama“-Zeit abknapsen.
Dann sagte Caren Miosga, dass sie gleich etwas zu dem Thema sagen werde, bevor es zurück ging ins Magazin, wo aber kein echtes Programm mehr übrig war, wo die Moderatorin nur noch Tschüss sagen konnte, und dann lief in irrwitzigem Tempo der Abspann. Wenn ich das erleide, bin ich jedes Mal fassungslos. Das ist so komplett sinnentleert, dass es mich stets aufs Neue graust.
Es folgen dann in der Regel zwei komplett überflüssige Trailer für irgendwelche „Tatort“-Ausgaben oder irgendwelche Filme, die eh geguckt werden, ob man sie nun bewirbt oder nicht. Das braucht kein Mensch.
Ich würde so etwas noch verstehen, wenn die Trailer auf versteckte Perlen im Programm hinwiesen, auf irgendetwas Abseitiges bei 3sat um Mitternacht oder bei Arte. Aber nein, der ARD-Finger zeigt in der Regel auf das, was ohnehin Quote macht.
Besonders peinlich wird das, wenn vorher ein vorbereitetes Programm läuft, also eines aus der Konserve, eines, das man nicht mal eben unterbrechen kann. Dann stapft direkt nach dem Ende Thomas Roth ins Bild und sagt, was er in den Tagesthemen gleich sagen wird. Und dann kommen die Trailer.
Das gerät immer so hochnotpeinlich, dass ich zusammenzucke, weil sich die geballte Inkompetenz der ARD in meiner Magengrube verfängt und dort Zuckungen auslöst.
Ich schalte nun zu den Tagesthemen und frage Caren Miosga, was sie denn gleich anzubieten hat an superheißen News und knalligen Meldungen. Nein, ich frage nicht, ich suggeriere ihr, dass sie ja superheiße News und knallige Meldungen im Körbchen hat. „Ja, Hans“, sagt Caren Miosga dann, „ich habe gleich superheiße News und knallige Meldungen anzubieten.“ Ich wünsche dann noch viel Spaß und sage meinen Lesern, dass mir jetzt nur noch die Verabschiedung bleibt. Links von mir läuft jetzt in atemberaubendem Tempo der Abspann runter. Für DWDL.de-Leser kurz mal in Zeitlupe. „Buch: Hans Hoff, Idee: Hans Hoff. Regie: Hans Hoff, Executive Producer: Hans Hoff. Schlussredaktion: Alexander Krei, Uwe Mantel. Disclosure: Dieser Text beruht auf einer wahren Geschichte.“ Ende der Zeitlupe. Raum für unnütze Trailer.
Manchmal wäre ich tatsächlich lieber in der Oper.