„Unschlagbar sind der Humor und die scharfe Ironie.“ Wenn der ARD-Programmdirektor Volker Herres so etwas sagt, sind alle Alarmglocken eingeladen, so laut wie möglich ihre Existenzberechtigung nachzuweisen. Die Kombination Humor und Herres ist eine ungefähr so absurde wie intellektueller Tiefgang und Mario Barth. Dementsprechend liegt die Latte gleich mal ganz niedrig, wenn Herres ein neues ARD-Produkt derart lobt. Oder anders gesagt: Die am Dienstag im Ersten startende Serie „Vorstadtweiber“ geht mit größtmöglichem Ballast auf die zehnteilige Kurzstrecke.
Elf Jahre nach dem Start und drei Jahre nach dem Ende von „Desperate Housewives“ fällt dem Ersten gemeinsam mit dem ORF ein, auch mal eine Serie zu präsentieren über gelangweilte Wiener Hausfrauen, die nur eine Pflicht haben: Nix tun, die alle eine Spur zu gut aussehen für ihre behauptete Reichtumstristesse und deshalb viel daran setzen, den vom Drehbuchautor Uli Brée ausgerufenen Wettbewerb im Intrigenhäkeln zu gewinnen und dabei nicht nur die eigenen Freundinnen, sondern vor allem natürlich die Ehemänner zu betrügen. Die sind nämlich in erster Linie geschäftsgeil, in zweiter Linie korrupt und vor allem hinter jedem Rock her. Niemand ist glücklich in dieser Serie. Alle tragen schwer an ihrem Schicksal, reich und erfolgreich zu sein, nur eben nicht reich und erfolgreich genug.
Es geht um die Frage, wie schön man sich mit welchen Mitteln machen sollte, wie schnell man das Geld des Gatten verbrennen kann und was man tut, wenn der Gatte einem just dieses entzieht. Kurzer Spoiler: Man geht dann Klos putzen. Natürlich in High Heels. Im Gegenzug verabreden die holden Herren auf dem Golfplatz, wie sie günstig Grundstücke kaufen können, über die demnächst eine noch geheime Autobahntrasse führen soll.
Das ist von der Regie (Sabine Derflinger, Harald Sicheritz) optisch recht hochwertig in Szene gesetzt. Man hat da sehr offensichtlich nicht an der Ausstattung gespart. Drehorte sind luxuriöse Anwesen, gefahren wird vorzugsweise SUV oder Porsche, und den schönsten Höhepunkt erreichen die Frauen, wenn sie einen superteuren Fummel vom Luxusdesigner entdecken und dazu Lebensweisheiten absondern dürfen. Die gehen dann so: „Wir kaufen uns diese sündteuren Fetzen doch nur, damit sie uns irgendwer wieder schnell vom Leib reißt.“
Hat es geklingelt? Ja, richtig. Diese Serie lässt kein Klischee aus. Nein, falsch. Sie lässt nicht nur kein Klischee aus, sie ist selbst das Superdupermonsterklischee. Alles wirkt so, als habe man bei einer Intendantenversammlung der ARD mal einen Zettel rumgehen lassen, auf den jeder schreiben durfte, was er für schwer hip hält. Das Ergebnis ist diese Serie, die wirkt wie ein Behältnis, das allein zu dem Zweck geschaffen wurde, möglichst viele flott gemeinte Sprüche unterzubringen. „Irgendwann fliegt so etwas auf“, warnt einer einen Übeltäter. Und was sagt der? Richtig: „Aber bis dahin habe ich ein schönes Leben.“
Auch die Frauen dürfen derart rezitieren. „Weißt du, was der Unterschied zwischen meinem Mann und einem Pferd ist“, fragt eine Frau, um sich dann selbst die Antwort zu geben: „Das Pferd hat ein Herz.“
In einer Szene wird schließlich auch aufgetischt, was Volker Herres offensichtlich für Humor hält. Da bleibt der Porsche mit drei korrupten Herren im Schlamm stecken, und der Underdog im Trio muss raus zum Anschieben. Und was passiert? Richtig, der Porsche kommt frei, und der Anschieber fällt in die Jauche. Man kann bei der Szene förmlich spüren, wie sich die öffentlich-rechtlichen Entscheider auf die Schenkel geklopft haben. Ich wette darauf, dass die sowas für Slapstick halten.
Und ein bisschen anzüglich darf es natürlich auch sein, damit die schwiemeligen Begutachter vom Sender auch ohne die Verabreichung blauer Pillen etwas zum Steigern ihrer Erregung haben. Da darf dann eine Boutiquebesitzerin keck ihr Fähigkeitsportfolio aufblättern. „Mit zwei Dingen kenne ich mich aus“, behauptet sie: „Wie man einem Mann das Hirn wegbläst und wie man echte Ware von falscher unterscheidet.“ Wow, sie hat blasen gesagt. Im Ersten. Um 20.15 Uhr. Und es geht noch besser. Eines der Weiber will den intriganten Geliebten verlassen. Er staunt nicht einmal. Er fragt nur ganz lapidar: „Abschiedsfick?“ Man kann das schmieriges Boulevardtheater nennen. Wie nennt Volker Herres das nochmal? Humor und Ironie.
Vielleicht hilft es also, wenn man sich mal kurz in die Psyche eines ARD-Hierarchen hineinversetzt und mit aller Kraft versucht, das, was hier als Humor ausgegeben wird, lustig zu finden. Man muss nur wollen, dann kann man auch lachen. Dann kann man auch den Geschichten folgen und wird nicht dauernd vom eigenen Bedürfnis nach einer gewissen Grundlogik aus der Bahn geworfen.
Um diese Serie, auf die das Erste so viele Hoffnungen setzt, mal zu loben. Sie ist in ihrem schrillen Bemühen, den Sendeplatz am Dienstagabend aufzupeppen, auf jeden Fall besser als Fritz Weppers Nonnenklamauk bei „Um Himmels Willen“. Aber das ist ja nun auch keine besondere Leistung. Man muss schon sehr viel von dem in der Serie reichlich gereichten Gesöff trinken, um das hier zu mögen. Tut man das nicht, schmecken die „Vorstadtweiber“ wie ein von gestern übrig gebliebenes Glas Prosecco. In dem hat exakt ein Prickelbläschen überlebt und muss nun den Job aller geplatzten Kumpane miterledigen. Es muss den Kunden beschwipsen, hat dafür aber nur Humor und Ironie der Marke Herres zur Verfügung. Es ist halt kein leichtes Leben in der Wiener Vorstadt.