Ich leide. Ich bin krank. Bisschen behindert auf jeden Fall. Ich habe mir eine für Medienkritiker leider typische Krankheit eingefangen. Mein Arzt hat es nach eingehender Untersuchung sehr deutlich gesagt: „Herr Hoff, Sie haben Beitrags-Tourette.“ Man kennt Tourette als fürchterliche Plage für Menschen, die grund- und anlasslos schlimme Worte eruptieren. Das ist eine sehr ernstzunehmende Krankheit, über die ich mich keinesfalls lustig machen möchte. Aber was soll ich tun, wenn ich nun auch von einer Abart befallen bin? „Zwangsgebühr!“ Zack, da war es schon wieder. Ich kann keine drei Zeilen mehr schreiben, ohne nicht wieder in diesen Anklagemodus zu verfallen. „Acht Milliarden!“ Wow, schon wieder. „Herres!“ Oh, Gott!
Es häuft sich gerade. Moment, ich nehme mal ein paar Pillen. „Intendantin“ heißen die, Betonung auf der letzten Silbe. Die helfen. Ich quacksalbere dann eine Weile unbeschadet über die Qualitäten unseres öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ich sage Sachen wie „Luft nach oben“ oder „man muss aber auch sehen, dass…“, und dann verweise ich auf tolle Dokumentationen.
Meist aber hält dieses „Intendantin“ nicht lange vor. Dann schwindet die Wirkung, bevor ich nachwerfen kann. „Zwangsgebühr!“ So schnell geht das manchmal. „Acht Milliarden!“ Ist nicht immer leicht in den Griff zu kriegen. „Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Systems!“ Man, es wird wieder schlimmer. „Herres!“ Moment. Ich werfe mal eben nach.
So, geht wieder. Ich muss aufpassen, dass mich mein Beitrags-Tourette nicht in die Verzweiflungsspirale treibt. Ich sehe, was das mit manchen Kollegen anrichtet. Die können keine 30 Zeilen mehr am Stück schreiben, ohne auf die Alimentierung der öffentlich-rechtlichen Sender hinzuweisen. „Sie sind nicht alleine“, sagt mein Arzt zum Trost. Insbesondere Kollegen aus renommierten Verlagshäusern, die keine wirklichen Antworten auf die Herausforderungen einer digitalen Zukunft haben, befalle Beitrags-Tourette bevorzugt. Hat mein Arzt gesagt, nicht ich.
Ich habe mir daraufhin mal die gängige Medienberichterstattung angetan. Viel war da zu lesen über gefeuerte oder bedrohte Chefredakteure. Gibt es da eigentlich schon Dokumentationen oder Nico-Hofmann-Biopics in den öffentlich-rechtlichen Sendern? Die beobachten doch ansonsten gerne bedrohte Spezies. Aber über die bedrohte Spezies der von Beitrags-Tourette befallenen Medienkritiker, da machen sie nichts, diese Verbrecher. „Zwangsgebühr!“ Huh, da ist es wieder. „Zwangsgebühr!“ Manchmal muss man es einfach nur rauslassen. „Herres!“ Man kann ja nicht ständig Tabletten nehmen. „Acht Milliarden!“
Meine Diagnose, „Zwangsgebühr!“, fiel eindeutig aus. Die Therapie lief so lala. Im Sommer ging das Leiden etwas zurück. Offenbar wirken sich erhöhte Temperaturen und etwas Sonne positiv auf Medienkritiker aus. Kann aber auch einfach damit zusammenhängen, dass weniger ferngesehen wird, wenn es draußen schön wird. „Zwangsgebühr!“ Nun aber droht der Herbst, „Herres!“, der Fernsehkonsum steigt und mit ihm kehren die Symptome zurück. „Zwangsgebühr!“
Doch nicht nur Medienkritiker sind infiziert. Beitrags-Tourette ist sehr offensichtlich höchst ansteckend. „Zwangsgebühr!“ Auch Kommentatoren in Onlineforen sind leichte Opfer der Krankheit. „Acht Milliarden!“ Man merkt das, wenn man schaut, wie sie etwa ihre Entrüstung über die, Entschuldigung „Zwangsgebühr!“, unter allen möglichen Berichten unterbringen. Ob es nun Artikel über Gänseblümchenzucht oder Müllentsorgung sind, es wird sich ab einer gewissen Anzahl von Kommentatoren immer jemand finden, der „Zwangsgebühr!“ sagt. „Acht Milliarden!“ „Herres!“
Da „Intendantin“ verschreibungspflichtig ist und bislang nur an Medienkritikern getestet wird, sehe ich, was die Heilungschancen angeht, vorläufig schwarz. Die Pharmabranche hat kein wirkliches Interesse, dieser Plage Herr zu werden. „Verbrecher! Alle Verbrecher!“ Genau wie die in den Anstalten. „Zwangsgebühr!“ „Acht Milliarden!“„Herres!“