Am nächsten Sonntag kommt er, der Heiland. Er wird herabfahren zu uns Irdischen, und er wird uns segnen mit einer Kraft, die nur er hat. Hernach werden wir ihn preisen, weil wir erkannt haben werden, was vorher diffus im Nebel schwirrte. Wir werden wissen, was wir wählen sollen. Dank des Heilands mit Namen Stefan Raab.

Man kann auf solche Gedanken kommen, wenn man sich anschaut, wie derzeit Feuilletonisten und Politikreporter gemeinsam unter Schnappatmung leiden, weil das Kanzlerduell ins Haus steht. Gerne wird die Sendung, die am nächsten Sonntag gleich mal die vier wichtigsten Kanäle verstopft, als die wichtigste Politiksendung des Jahres bezeichnet. Was für ein grandioser Bullshit. Wenn dieses Kanzlerduell die wichtigste Politiksendung des Jahres sein soll, dann gute Nacht Deutschland.

En passant wird dann gleich noch Stefan Raab zur großen Hoffnung stilisiert, zum einzigen, der diesem öden Ritual, das so erwartbar und erkenntnisreich ist wie das Grinsen von Florian Silbereisen, einen Hauch von Überraschung injizieren könnte. Durch eine freche Frage vielleicht, eine kecke Formulierung, die dann doch wider besseres Wissen die Hoffnung nährt, die Kandidaten könnten etwas anderes von sich geben als das, was sie seit Tagen auf Marktplätzen und in Festzelten von sich geben.

Stefan Raab also, der bekannte Duschkopferfinder, der noch vor kurzem als Persona non grata galt, weil er vom ProSieben-Lobbyisten Edmund Stoiber ins Spiel gebracht wurde. Die zugehörige Qualifizierung besorgte dann Peer Steinbrück, der Raab ablehnte, nicht wissend, dass es einem Kandidaten nicht zusteht, einen Befrager abzulehnen. Prompt entstand ob Steinbrücks Doofheit eine jetzt-erst-recht-Stimmung. Direkt danach schraubte sich die Erwartungsspirale in unendliche Höhe. So hoch, dass Raab nun echt etwas liefern muss, das die Republik rockt. Sonst ist er enttarnt als ein mittelmäßiger Moderator, dessen beste Tage hinter ihm liegen. Das wird kein Spaß, weder für Raab noch für jene, die sich ihre Enttäuschung schon mal durch überhöhte Ansprüche gesichert haben.

Ins Vergessen geraten sind über die ganze Raab-Hysterie die anderen Befrager der anderen Sender. Denen wird durch die kurzerhand mal bei Raab versammelten Hoffnungen komplett das Vertrauen entzogen. Anne Will, Maybrit Illner und Peter Kloeppel könnten darob enttäuscht sein, dürften aber so viel Klugheit besitzen, den Hype um den Neuen als Chance zu begreifen. Von ihnen wird nichts mehr erwartet, insofern können sie auch nichts verlieren. Der einzige, der hinterher als Loser vom Platz gehen könnte, ist Raab. Alle anderen haben schon gewonnen, wenn sie nicht aus der Form fallen.

Weder Merkel noch Steinbrück werden aus der Form fallen. Sie werden brav ihre Positionen runterbeten, ein, zwei vorbereitete Spitzen gegen den konkurrierenden Kandidaten aussenden und sich ansonsten um Contenance bemühen. Danach werden die jeweiligen Lager ihre Kandidaten zum Sieger erklären. Das Erste wird darauf verweisen, dass es die meisten Zuschauer hatte, und bei Günther Jauch werden die Experten sagen, dass sie es schon immer gewusst haben.

Der Heiland wird danach noch eine Ausgabe von „Absolute Mehrheit“ moderieren und unterschwellig den Eindruck vermitteln, er sei nun aber so was von der Beste gewesen. Kurz danach kommt dann der Montag, also der Tag, an dem allen Unentschiedenen bewusst werden wird, dass sie immer noch kein bisschen besser wissen, was sie wählen sollen. Sie wissen nur, dass sie keinen Sonntagskrimi gesehen haben. Weil keiner da war. Schönen Dank, Heiland.