In der vergangenen Woche ist bekannt geworden, dass das britische Medienhaus ITV die norwegische Produktionsfirma Mediacircus erworben hat. Gleichzeitig haben die Briten ein Kooperationsabkommen mit dem israelischen Sender Reshet abgeschlossen. ITV Studios, der Produktionsarm des Senders, konnte unterdessen verkünden, dass „Mr. Selfridge“, eine neue historische Dramaserie (mit „Entourage“-Star Jeremy Piven in der Hauptrolle), mit der ITV an den Erfolg von „Downton Abbey“ anknüpfen möchte, von PBS in den USA koproduziert wird – und bereits in zahlreiche Länder, darunter Australien, Schweden und Israel, vorab verkauft worden ist.
Diese allein aus den vergangenen Tagen zusammengetragenen Meldungen zeigen eines ganz deutlich: ITV ist auf dem internationalen Parkett angekommen. Dabei liegen die Wurzeln des Senders am genau entgegengesetzten Ende des geographischen Spektrums: nämlich im Regionalen.
1954 hatte das britische Parlament ein neues Mediengesetz verabschiedet, welches erstmals die Möglichkeit eines kommerziellen Rundfunks zuließ. Die Briten hatten die staatstragende und paternalistische Art, welche die BBC damals pflegte, über. Außerdem suchte die britische Wirtschaft, welche sich gerade von den Folgen des Zweiten Weltkriegs erholte, nach einer neuen Werbeplattform. Also dachte man daran, eine kommerzielle Alternative zur BBC zu schaffen. All zu kommerziell sollte sie dann aber auch nicht sein. Mit Abscheu dachten die Briten an Presseberichte aus dem Jahr '52 zurück, durch die bekannt geworden war, dass die Übertragung der Krönungszeremonie von Königin Elizabeth II. im US-Fernsehen durch Werbespots für Deodorant, Zahnpasta und Matratzen unterbrochen worden war. Darüber war die britische Öffentlichkeit ganz und gar nicht amused.
Kommerzielles Fernsehen wurde zwar zugelassen. Aber nur unter einem strengen Reglement, zu dem einerseits eine Public-Service-Verpflichtung gehörte, also de facto eine Art öffentlich-rechtlicher Programmauftrag zur Ausstrahlung von Nachrichten, Informations- und Kulturprogrammen, und andererseits die Festlegung, dass das neue Fernsehen viel stärker als die auf London zentrierte BBC in den einzelnen Regionen des Königreichs verankert sein sollte. Statt eines einzelnen landesweiten Senders lizenzierte die neu geschaffene britische Medienaufsicht Independent Television Authority (heute: Ofcom) deshalb eine Vielzahl von Regionalsendern, welche zwar gemeinsame (nationale) Nachrichten produzierten und auch sonst Programme untereinander austauschen konnten, abgesehen davon aber unabhängig voneinander operierten. Zu den ursprünglichen Lizenzauflagen gehörte, dass kein Unternehmen mehr als einen ITV-Regionalsender betreiben durfte. Die Lizenz für den Großraum London wurde sogar zweigeteilt: ein Anbieter sendete werktags über, der andere am Wochenende.
Das ist die vereinfacht dargestellte Organisationsstruktur eines noch sehr viel komplizierteren Gebildes, welches von seiner regionalen Anlage her natürlich einen Vergleich mit der aus Landesrundfunkanstalten zusammengesetzten (und ebenfalls sehr komplizierten) ARD nahelegt. Mit dem Hauptunterschied, dass sich die ITV-Sender ausschließlich über Werbung finanzierten.