Bild: Condé NastNein, die Veränderung in der "Vanity Fair" lässt sich nicht allein an der derzeit erhältlichen Ausgabe ausmachen. Das Heft mit Patrick Dempsey auf dem Cover ist kein Highlight, aber es ist trotzdem ein gutes Beispiel für die neue "Vanity Fair" - einem Magazin mit neuer Handschrift. Nach dem Abgang von Gründungs-Chefredakteur Ulf Poschardt übernahm Nikolaus Albrecht (Foto). Der bisherige Chefredakteur der "Glamour" wurde bei Condé Nast zur Rettung des prestigeträchtigen Wochentitels geholt, der im vergangenen Jahr weder eine klare Linie noch so recht Leser finden wollte. Letzteres ist noch immer ein nicht vollends gelöstet Problem - erst jüngst gab es wieder Meldungen über enttäuschende Verkaufszahlen im Grosso.

Doch inhaltlich hat "Vanity Fair" inzwischen eine klare Linie gefunden. Unter Albrecht wurde das allzu krampfhaft auf Relevanz getrimmte Ressort Agenda gestrichen. Politik und Gesellschaft sind nach wie vor ein Thema für die "Vanity Fair". Nur nicht mehr zwingend, nicht mehr auf Teufel komm raus. Die Zeiten in denen der Verlag wöchentlich mit einem halben Dutzend Vorabmeldungen aus der neuen Ausgabe um Aufmerksamkeit hechelte, sind ohnehin längst vorbei. Es war ohnehin Selbstbetrug: Auch wenn man mit harten Themen in die Presse wollte, so entpuppten sich Politik- und Wirtschaftsthemen im Heft dann als Kurzmeldungen oder Drei-Fragen-Interview.

Auch Poschardt erkannte dies, doch es ist der jetzige Chefredakteur Albrecht, der auch durchgriff. Inzwischen erscheint "Vanity Fair" mit einer anderen Ressortaufteilung als noch zum Start. Sie sind deutlich unschärfer als zuvor: So lassen sich "Titelgeschichten", "Die Woche", "Leute der Woche" und "Themen der Woche" nur schwer auseinanderhalten, bevor das Heft mit dem "Stil"-Ressort beendet wird. Das stört kaum, da "Vanity Fair" inzwischen dankenswerterweise ein Heft zum Blättern geworden ist - und augenscheinlich auch kein Problem mehr damit hat, sich als solches zu verstehen. Albrecht ist kein Mann der ambitionierten Ziele, wie es Poschardt auch durch seine lauten Töne vor dem Start letztendlich aus eigenem Zwang heraus sein musste.

Foto: CoverDie neue "Vanity Fair" ist bunter, leichter verdaulich. Kurzweiligkeit statt Extravaganz. Ein Mann der großen Töne ist Albrecht ohnehin nicht. Unter ihm finden Anspruch und Realität näher zueinander. Vermeintlich banale Schaubilder, Infografiken und Rankings - wie zuletzt z.B. bei einer Story über die Entwicklung des Fliegens - haben jetzt ihren festen Platz neben nach wie vor immer noch vorhandenen optisch opulenten Fotostrecken. So beginnt auch die aktuelle Coverstory über Patrick Dempsey mit zwei doppelseitigen Fotos. Und die Titelstory zum Filmfestival in Cannes setzt auf gleich 14 Seiten in erster Linie auf die Kraft von Bildern.

Dass sich was geändert hat und auch noch weiterhin Einiges ändern muss, hat Condé Nast erkannt: Mit dem derzeit erhältlichen Heft 21 versucht man einen Neustart. Erstmals seit seinem Antritt bei der "Vanity Fair" im Januar grüßt Chefredakteur Nikolaus Albrecht, der den Posten seit dem 1. Mai auch offiziell ausfüllt, seine Leser mit einem eigenen Editorial. Und es liest sich als würde Albrecht es für die Erstausgabe schreiben. "Wenn man 'Vanity Fair' macht, wird man häufig gefragt, was 'Vanity Fair' ausmacht. Die Antwort, so knapp wie möglich: intelligente Unterhaltung", schreibt Albrecht. Und sinniert über den Reiz das Magazin zu machen, die "wichtigsten, interessantesten und aufregendsten" Geschichten auszuwählen. Und dann tut er etwas, was so gar nicht der Stil eines Ulf Poschardt war: Er bittet die Leser um Mithilfe - um das Heft zu verbessern.

"Da wir aber nie nur Leser sein können, sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen", sagt er. "Was sind die Geschichten, die 'Vanity Fair' erzählen soll, welche die Menschen, die Sie auf unseren Seiten gerne kennenlernen möchten?", fragt er. Und er schließt mit den Worten: "Denn das Einzige, was schöner ist als viele kluge Leser, sind noch mehr kluge Leser". Wahre Worte - auch angesichts der immer noch anhaltenden Diskussion um die Verkaufserfolge der "Vanity Fair". Die sollen übrigens mit einer Marketingaktion zur aktuellen Ausgabe angekurbelt werden. Neben dem regulären Heft (für zwei Euro, inkl. Chanson-CD) gibt es das Heft von Albrechts Truppe auch für zwei Euro im Bundle mit "Glamour" (dann allerdings ohne CD, dafür mit Goodies der 'Glamour') oder 1,80 Euro im Bundle mit "Myself".
 


Man will die Leser der anderen Condé Nast-Titel auf diesem Wege an die "Vanity Fair" heranführen und Ihnen das Heft noch einmal vorstellen, so eine Verlagssprecherin. Deshalb auch das Editorial mit dem Aufruf zur Leserumfrage. An dieser Stelle vielleicht gleich ein erstes Feedback: Was im Inhaltsverzeichnis steht, sollte auch im Heft sein. Das ist in der aktuellen Ausgabe nicht der Fall. Zwar wird zu Beginn für Seite 74 die Story "Todesursache unbekannt" angekündigt - doch sie ist nicht im Heft. Stattdessen ein Portrait des neuen Boss-Chefs Claus-Dietrich Lahrs. Allerdings nur im regulären Heft. In den Ausgaben, die zusammen mit "Glamour" und "Myself" verkauft werden, ist vom Lahrs-Portrait keine Rede - und auf Seite 74 findet sich "Todesursache unbekannt". Offenbar war ein früherer Redaktionsschluss für diese Version der "Vanity Fair" und dann eine Änderung in letzter Minute beim eigentlichen Heft die Ursache für dieses kleine Durcheinander in der Heftmitte.

Foto: CoverUnfreiwillig komisch ist natürlich auch die Tatsache, dass bei der mit "Glamour" gebündelten und im Format leicht verkleinerten Ausgabe aus vertriebstechnischen Gründen der Preis von 0,20 Euro auf dem Cover steht. Ein Schelm wäre, wer das aus dem Zusammenhang reißen würde. Doch der Schelm ging auch im Verlag selbst um: Da wurden die Bundle mit "Glamour" und "Myself" vergangene Woche als Marketingaktion für die "Vanity Fair" angekündigt - doch am Kiosk erkennt der Leser im Falle des "Glamour"-Bundle von vorne nicht einmal, dass er die "Vanity Fair" dazu erhält. Hauptsache das Heft ist unter die Leute gebracht. Ein extra großes Booklet der "Glamour" habe verhindert, dass man die "Vanity Fair" sichtbarer eintütet, heißt es im Verlag.

Aber kommen wir zum Ende - zur letzten Seite der "Vanity Fair", die in dieser Woche mit 148 Seiten im Übrigen wieder zehn Seiten dicker ist als in den vergangenen Wochen. Dort findet sich inzwischen schon seit ein paar Monaten "Prousts Fragebogen" anstelle des früheren Lückentextes. Das kann man bedauern, das kann man bejubeln. In jedem Fall ist es effizient: So kann man auf vorhandene und ohnehin eher zeitlose Fragebögen der internationalen Kollegen zurückgreifen. Die Partyfotos der Woche kurz vor Ende bekommen in der aktuellen Ausgabe nur eine Seite eingeräumt. So machen sie allerdings keinen Sinn.

Foto: Conde NastHier hat Chefredakteur Albrecht noch eine Entscheidung zu fällen: Nähert man sich bei den Fotos "Bunte", "Gala" und Co. an oder sollte man die Rubrik nicht gleich ganz streichen? Denn auch hier gilt: Fotos von zu extravaganten Partys ohne Mainstream-Prominenz passen nicht mehr zur "Vanity Fair" - sie wären ein Relikt aus der Zeit, in der z.b. auch die Wochenvorschau am Anfang des Heftes noch an der Realität der Leser vorbei auf Vernissagen und manchen HighSociety-Event hinwies. Dort hat man inzwischen eine äußerst unterhaltsame Alternative entdeckt: Statt den Terminen der kommenden Woche, widmet sich "Die Woche in zehn Minuten" den Ereignissen der vergangenen Tage - und schafft pointiert und meinungsstark Wiederkennungswert beim Leser gleich zu Beginn des Heftes.
 
Betrachtet man die aktuellen Ausgaben der "Vanity Fair", dann haben sie inhaltlich kaum noch etwas mit den ersten Ausgaben aus dem Frühjahr 2007 zu tun. Unter Nikolaus Albrecht hat die "Vanity Fair" an Bodenhaftung gewonnen, die keineswegs negativ zu verstehen ist. Die Mover und Shaker waren gestern. Die breite Masse ist heute. Und für die ist "Vanity Fair" lesbarer geworden. Vom Optimum ist das Team um Albrecht noch weit entfernt. Immer noch gibt es Baustellen - inhaltlich und bei den Verkaufszahlen. Aber der Weg ist richtig. Allen voran die redaktionelle Erkenntnis, dass Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen müssen. So gesehen ist die deutsche "Vanity Fair" in der Realität angekommen. Herzlich Willkommen.