Grafik: DWDL.de; Logo: WAZIm Print-Bereich ist die "WAZ"-Gruppe ist der lokale Platzhirsch bei den Lokalzeitungen in Ruhrgebiet und Westfalen, doch den Sprung ins Web hat man größtenteils verpasst. Das soll sich nun mit dem neu geschaffenen Portal "DerWesten", das die Web-Auftritte der Lokalzeitungen "WAZ", "Neue Ruhr/Rhein-Zeitung", "Westfälische Rundschau", "Westfalenpost" und "Iserlohner Kreisanzeiger" unter einem Dach vereinigt, ändern.

Angekündigt wurde das Projekt schon vor langer Zeit. Damit auch alles schön modern wird, engagierte man dafür eine Bloggerin: Katharina Borchert, auch bekannt als Lyssa. Über ein Jahr arbeitete sie mit einem Team an dem Projekt - eine erstaunlich lange Zeit, gerade im Internet. Und beim ersten Blick auf die Seite stellt sich unweigerlich die Frage: Was hat man in dieser langen, langen Zeit eigentlich gemacht?

Denn rein optisch kommt die Seite eher wie Hausmannskost daher - durchaus solide, aber wenig innovativ. Die Seite wirkt nüchtern und aufgeräumt - allerdings damit eben auch ein wenig bieder. Wie man es beim Marktführer "Spiegel Online" gelernt hat, beginnt man mit mehreren Topthemen, ehe die einzelnen Rubriken mit Aufmachern und den jeweils neuesten Meldungen angezeigt werden. Aufgebaut ist die Seite durchgängig zweispaltig - auch das ist man von den meisten gängigen Angeboten gewohnt.

Ganz modern präsentieren will man sich mit der prominenten Einbindung multimedialer Inhalte. So werden bereits an dritter Stelle unter den Topthemen drei Videos oder Bildershows angeteasert. Ob das allerdings viel Sinn macht, sei dahingestellt - zumindest bei den derzeitigen Inhalten. So wird etwa eine Bildershow über den Außenbordeinsatz zweier Astronauten angeboten - das wirkt weder besonders lokal noch besonders nachrichtlich relevant. Den Stellenwert der multimedialen Inhalte zeigt sich auch am eigenen Menüpunkt "Videos" in der Hauptnavigation. Warum allerdings alle möglichen Seiten meinen, einen eigenen Reise-Bereich als Oberpunkt einrichten zu müssen, bleibt weiter ein Geheimnis.


Das Pfund, mit dem das lokale Angebot wuchern müsste, sind die lokalen Inhalte - doch hier wird zum Problem, dass die WAZ-Gruppe die Auftritte mehrerer Lokalzeitungen auf einem Portal bündelt. Mit lokalen Themen aufzumachen fällt angesichts der breiten Zielgruppe da schwer. Für den ersten Tag hat man sich für ein Interview mit Ex-Schalke-Manager Rudi Assauer entschieden - das hat einen lokalen Touch, der dennoch nicht nur für Leser aus Gelsenkirchen interessant ist. Doch diese Themen wird man nicht immer parat haben. Im übrigen muss man auch im Westen mehr auf bundesweite Themen setzen, Lokales findet hingegen eher auf Unterseiten statt.

Screenshot: Der WestenDoch wer Lokales sucht, der wird zumindest leicht fündig. So lassen sich problemos Nachrichten nur für eine Stadt anzeigen - etwa indem man sie ins Suchfeld eingibt. Direkt auf der Startseite lassen sich für angemeldete Nutzer auch fünf Städte in einer Favoriten-Liste anlegen. Sehr nett ist das Feature, das sich unter dem Punkt "Städte" versteckt: Auf einer Landkarte werden alle Städte markiert, zu denen es Nachrichten gibt. Auf Klick lassen sich diese dann anzeigen. Und wahlweise lassen sich für Traditionalisten auch noch alle Nachrichten der jeweils eigenen Lokalzeitung anzeigen.

Wie zu erwarten setzt "DerWesten" mit einer Bloggerin an der Spitze auch voll aufs "Web 2.0". Sprich: Alle Artikel lassen sich kommentieren, Trackbacks sind möglich und besonders stolz ist man auf die "Geo-Tagging"-Funktion. Neben jedem Artikel wird unter dem Titel "Ort des Geschehens" ein Kartenausschnitt angezeigt, in dem ebenjener "Ort des Geschehens" markiert ist. Diese Geo-Koordinaten können von jedem Nutzer eingegeben oder korrigiert werden. Dumm nur: Der Ausschnitt ist so klein, dass oft kaum erkennbar ist, wo man sich eigentlich befindet. Selbst Straßennamen werden häufig aufgrund der hohen Zoom-Stufe nicht angezeigt. Hier wäre also etwas Nachbesserung bei dem an sich gerade für lokale Nachrichten durchaus nützlichen Features sinnvoll.

Auch sonst wird die rechte Spalte für "Web 2.0"-typische Features genutzt. Die unvermeidbare "Tag-Cloud" fehlt natürlich auch bei "DerWesten" nicht. Auch die meistdisktutierten und meistgelesenen Artikel werden aufgelistet. Bemerkenswert: Bei "DerWesten" werden sogar die genauen Klick-Zahlen offen angegeben - eine Information, die Konkurrenten im Normalfall nur ungern preis geben. Ob man bei der "WAZ" an dieser Angabe lange festhalten wird, bleibt noch abzuwarten.

Stehen und fallen wird das Angebot wohl aber mit der Bereitschaft der altgedienten Lokalredaktions-Recken, dauerhaft auch für den Online-Auftritt zu schreiben. Dieser Versuch ging schon bei einigen Wettbewerbern schief. Und auch in der "WAZ"-Gruppe rumorte es im Vorfeld schon kräftig. Man mache bereits "Zeitung an der Leistungsgrenze", zitierte die "taz" kürzlich einen Lokalredakteur, der mit dem Mehraufwand durch "Der Westen" nicht einverstanden ist. Immerhin: Erst nach einem halben Jahr will man bei der WAZ überprüfen, ob man mehr Personal braucht.

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Noch ein großes Ärgernis für alle Mac-Nutzer, die den Safari als Browser nutzen: Zumindest an diesem Vormittag stürzte der Browser beim Besuchen der Seite regelmäßig ab - das sollte nach so langer Test- und Vorlaufzeit eigentlich nicht mehr passieren. Alles in allem ist "DerWesten" dennoch ein durchaus gelungenes Angebot, das allerdings nichts revolutionär Neues bringt, dafür aber deutlich konsequenter als die meisten anderen Lokalangebote aufs Web 2.0 setzt. Warum man dafür aber über ein Jahr gebraucht hat, weiß man auch nach einer längeren Betrachtung noch nicht.